Pirmasens Amüsant und sehr politisch

Ute Kleist und ihr Bild „Puppengeschirr“ in einer speziellen Sprühtechnik gefertigt.
Ute Kleist und ihr Bild »Puppengeschirr« in einer speziellen Sprühtechnik gefertigt.

Großen Zuspruch erfährt die Ausstellung „Zu Tisch“ des Dahner Kunstvereins. Bei der Vernissage am Sonntag war das Alte Rathaus gut gefüllt mit Besuchern. Ob es daran gelegen hat, dass etwas mit Essen immer geht, auch wenn es nichts konkret zu Essen gab, oder der Kunstverein inzwischen mit seiner Konzeption so erfolgreich ist, bleibt offen. Ein spannender Rundgang ist die Ausstellung mit Werken von 19 Künstlern allemal.

Die Kunst wird in den Räumen im Erdgeschoss regelrecht aufgetischt. Drei große Tische dienen als Ausstellungsfläche für Schneidebretter einer skandinavischen Möbelkette, die von unterschiedlichen Künstlern in der für sie typischen Art gestaltet werden. An den Wänden gibt es die dazu passende „normale“ Kunst der jeweiligen Künstler. Die Ausstellung wird von der Homburger Galerie Beck und dessen Leiter Christopher Naumann kuratiert und war in ähnlicher Form schon im Januar dort zu sehen. Das Ergebnis des Aufrufs an die Künstler mit dem inspirierenden Schneidebrett ist ganz unterschiedlich ausgefallen. Mancher wie der Koblenzer Burghard Müller-Dannhausen hat einfach das, was er sonst auch auf der Leinwand macht, auf das Schneidebrett gemalt. Im Fall von Müller-Dannhausen sind das konkrete Farbromben, die jetzt keinen direkten Bezug zum Essen haben. Die meisten Aussteller haben aber das Thema aufgegriffen und das zum Teil auch witzig gestaltet. Dietmar Kempf aus Schutterwald im Ortenaukreis, der für seine Reihungen mit Becherchen oder Eislöffeln bekannt ist und damit geradezu prädestiniert für so ein Thema hat Buchstabenwürfelchen hundertfach auf das Brett geklebt und eine ganz besondere Speisekarte entworfen, auf der die Besucher die einzelnen Speisen suchen dürfen. Zuckerbrot und Schaschlik oder Happen sind schnell erkennbar. Für andere Speisen muss länger gesucht werden. Viele der beteiligten Künstler haben politische Aussagen auf ihr Brett gebracht. Das Thema „Essen“ scheint heutzutage eine sehr politische Sache geworden zu sein. Im Supermarkt ist der Kunde mit seiner vermeintlichen Marktmacht auch ständig zu einem Statement aufgefordert durch die Wahl der Produkte. Ute Kleist aus Rostock hat in der für sie typischen Sprühtechnik eine anonyme Masse an den Tisch auf das Brett gemalt. Jürgen Wolff aus dem hessischen Rödermark nimmt die Unsitte des Essens mit Smartphone und der Essensposterei in angeblich Sozialen Medien zum Anlass für sein Arrangement eines Tellers und einer sandgefüllten Tasse (der Sand für das Silizium in den Computerchips). Das Smartphone liegt daneben und zeigt ein Foto eben dieses Arrangements. Anklagend wird Tobias Günther mit seinem Werk „Geschlossene Gesellschaft“, das eine Weltkarte in Gießharz zeigt, auf der Süden und Norden durch eine Kette mit Vorhängeschloss und Löffel getrennt werden. Hintersinnige Wortspiele hat Klaus Grape aus Wolfratshausen auf seinem Brett mit den vier Wörtern „Eat Fat Pray Prey“ getrieben. Essen, Fett, Beten und Beute verbinden sich so zu einem Begriffszusammenhang über den der Besucher weiterrätseln darf. Und richtig radikal wird der aus Singen stammende Thomas Rösch auf einem Doppelfoto, das ein Straßengraffiti an einer Mauer im Jahr 1974 und 2001 zeigt und indirekt zum Thema passt. „Holger Meins, das Volk wird Dich rächen“ stand da 1974 zu lesen und wurde von Unbekannten 2001 zu „Holger Meins, das Volk hat Dich nicht gerächt“. Der RAF-Terrorist Holger Meins war 1974 an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben. Deutlich amüsanter hat sich der Düsseldorfer Amos Plaut dem Thema genähert und hölzerne Paprika, Engelsfiguren und Schokolade auf sein Brett montiert. Und auf eine meditative Art wurde das Essen von Matthias Kretschmer mit 100 Löffeln im „Kupferkreis“ aufgegriffen. Öffnungszeiten „Zu Tisch“, Kunstverein Dahn, Altes Rathaus Dahn, bis 8. April, Mittwoch, Donnerstag und Sonntag, 15 bis 18 Uhr.

Die Utopie von „Essen für alle“ entwirft Kiddy Citny aus Berlin auf einem Gemälde.
Die Utopie von »Essen für alle« entwirft Kiddy Citny aus Berlin auf einem Gemälde.
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