Pirmasens Als „Spätgeborener“ politisiert

Er galt als Linker in der CDU: Thomas Weiner.
Er galt als Linker in der CDU: Thomas Weiner.

Männer trugen ihre Haare lang, Frauen ihre Röcke kurz. Gemeinsam gingen sie auf die Straßen der Republik, um sich für ihre politischen Ziele einzusetzen. Der Zeitgeist war links im und nach dem „Rebellenjahr“ 1968. Für den heutigen CDU-Landtagsabgeordneten Thomas Weiner war das Anfang der 70er Jahre eine besondere Herausforderung.

„Es war schon ein Spießrutenlaufen, wenn ich in den 70er Jahren als Vorsitzender der Jungen Union montags nach einer Wahlniederlage der CDU in die Schule gekommen bin“, erinnert er sich. Es war damals bedeutend leichter, sich zu den Jungsozialisten zu bekennen als zur Jungen Union. „Viele haben mich angefeindet“, sagt er. Der heutige CDU-Landtagsabgeordnete war zwar noch ein Kind, als die 68er „gegen den Muff von 1000 Jahren“, gegen den Vietnam-Krieg oder die Springer-Presse auf die Straßen gingen. Als „Spätgeborener“ (25. März 1957) habe er aber sehr wohl Anfang der 70er Jahre die Ausflüsse dieser Proteste mitbekommen, die Demonstrationen und Ostermärsche, und sei dadurch selbst politisiert worden. Im Pirmasenser Jugendhaus beispielsweise, wo er als 15-Jähriger mitarbeitete und „die erste Berührung mit Andersdenkenden“ hatte, mit Jusos, Jungdemokraten und Kommunisten aus verschiedenen Splittergruppen. Oder an seiner Schule, dem Neusprachlichen Gymnasium, als Kommunisten auf dem Schulgelände Flugblätter verteilten und es deshalb sogar zu Handgreiflichkeiten kam. Mit 16 Jahren habe er deshalb bei der Jungen Union in Pirmasens vorgesprochen und gefragt, warum sie nichts unternehme gegen die Pamphlete der Kommunisten, gegen deren Schmähungen der Demokratie. Und bekam gleich die Aufgabe, zusammen mit Karl Bast und dessen Schwester Inge einen Arbeitskreis für Schüler zu gründen – die waren bei der JU damals deutlich unterrepräsentiert – mit dem Ziel, die politische Stimmungsmache nicht allein den Linken zu überlassen. Mit 17 Jahren übernahmen Weiner den JU-Vorsitz, sieben Jahre später hatte die Junge Union in Pirmasens 340 Mitglieder, so erzählt es Weiner. Für manches, was die 68er damals auf die Straße brachte, hatte Weiner Verständnis. Dafür, dass es nach dem Krieg keine ordentliche Aufarbeitung der Nazizeit gab; dass ein Mann mit NS-Vergangenheit wie Hans Filbinger Ministerpräsident in Baden-Württemberg werden konnte; oder dass die Justiz nach wie vor durchsetzt war mit Männern, die schon dem Dritten Reich gedient hatten. Er galt deshalb innerhalb der Union eher als Linker. „Ich stand fast unter Beobachtung“, auch weil er im Jugendhaus mit Andersdenkenden an einem Tisch saß. Mit dem Abstand aus 50 Jahren gewinnt Weiner den „68ern“ durchaus Gutes ab. Es war eine durch und durch politische Zeit, in den Fabriken wurde über Politik diskutiert, Debatten im Bundestag wurden im Radio übertragen. Und in Pirmasens sorgten JU und Jusos dafür, dass sich die Jugend für Politik interessierte und für die Demokratie engagierte. Und heute? Heute wachse die Jugend relativ unpolitisch auf. „Die jungen Leute müssen wieder merken, dass die Demokratie und das vereinte Europa ihre Unterstützung brauchen“, sagt Weiner. Deshalb fordert er von der Bildungspolitik, den Geschichts- und Sozialkundeunterricht an den Schulen anders zu strukturieren, um mehr Unterrichtsstunden zu schaffen für Nachkriegsgeschichte. Denn informierte junge Menschen ließen sich von Rechtspopulisten und Europagegnern nicht so leicht einfangen. Mein 68 Welche Erinnerungen haben Sie, liebe Leser und Leserinnen, an die Studentenproteste vor 50 Jahre. Wie haben Sie den Umbruch in Deutschland erlebt? Schreiben Sie uns: per E-Mail an redpir@rheinpfalz.de oder an RHEINPFALZ-Redaktion, Schachenstraße 1, 66954 Pirmasens.

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