Bundeswehr Generalinspekteur warnt vor zu großer Euphorie bei ukrainischen Militär-Erfolgen
Bundeswehr-Generalinspekteur General Eberhard Zorn hat davor gewarnt, die jüngsten Erfolge der Ukraine im Krieg gegen Russland bereits als umfassende Gegenoffensive zu sehen. „Ich bin mit den Begriffen vorsichtig“, sagte er nach Angaben vom Mittwoch dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Er sehe allenfalls „Gegenstöße, mit denen man Orte oder einzelne Frontabschnitte zurückgewinnen, aber nicht Russland auf breiter Front zurückdrängen kann“.
Auch der herannahende Winter werde „das Leid nicht mindern – im Gegenteil“, sagte Zorn. Die ukrainische Armee agiere zwar „klug, bietet selten eine Breitseite und führt souverän und sehr beweglich die Operationen“. Noch vor zwei Wochen hätte er gedacht, „dass der gesamte Donbass in sechs Monaten in russischer Hand ist“, sagte der ranghöchste Soldat der Bundeswehr. „Heute sage ich: Das werden sie nicht schaffen.“
Zorn verteidigt deutsche Waffenlieferungen
Aber ob die Ukrainer wirklich die Kraft für eine Gegenoffensive hätten, bezweifelte Zorn. „Sie bräuchten eine Überlegenheit von mindestens drei zu eins.“
Zorn verteidigte zugleich die bisherigen deutschen Waffenlieferungen: „Die Liste ist beachtlich, quantitativ wie qualitativ.“ Er nannte dabei schweres Gerät wie die Panzerhaubitze 2000, Mehrfachraketenwerfer sowie Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard. „Darüber hinaus haben wir unzählige Fahrzeuge, Munition und Ausrüstung geliefert.“ Und mit Iris-T schicke Deutschland „ein Raketenabwehrsystem, das wir selbst gerne hätten“.
„Wir werden die Ukraine so lange unterstützen wie nötig“, betonte Zorn. Er warnte aber vor weiteren Waffenlieferungen, welche die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr schwächen würden. „Mein Rat ist wirklich, unsere Zahlen anzuerkennen: Alles, was wir abgeben, brauchen wir zurück.“ Putin verstehe nur eine Sprache, „das ist die der Macht. Für eine wirkungsvolle Abschreckung brauchen wir die entsprechenden Kräfte. Unsere Partner zählen auf uns.“
Befürchtung vor zweiter Front
Zorn bekräftigte seine Befürchtung, dass Russlands Präsident Wladimir Putin eine zweite Front aufmachen könnte und nannte mögliche Angriffsorte: „Kaliningrad, die Ostsee, die finnische Grenze, Georgien, Moldau… es gibt viele Möglichkeiten. Die Fähigkeiten hätte Putin.“
Auch wenn etwa 60 Prozent seiner Landstreitkräfte im Ukraine-Krieg gebunden seien, verfügten die russischen Landstreitkräfte sowie vor allem die Marine und Luftwaffe noch über ungebundene Kapazitäten, sagte Zorn. „Würde Putin eine Generalmobilmachung anordnen, hätte er auch keine Personalprobleme.“