Neustadt Zum Schluss ein Gruß in die Schweiz
«Neustadt-Hambach.» Normalerweise ist Weihnachten, wenn das „Rennquintett“ in der Hambacher Pauluskirche musiziert. Die Angst vorm Frieren war diesmal aber unbegründet: Anlässlich ihres 30. Geburtstags absolvierte die bekannteste Boygroup der Pfalz am Donnerstag beim 21. Hambacher Musikfest ein facettenreiches Jubiläumskonzert unter sommerlichen Höchsttemperaturen.
Eine schweißtreibende Angelegenheit und ein gutes Argument, sich bereits nach wenigen Minuten der Fräcke zu entledigen. Dem Anlass entsprechend gab sich das Ensemble zunächst seriös und zelebrierte mit dem viel gehörten Pachelbel-Kanon einen feierlichen Einzug. Aber was wäre das „Rennquintett“ ohne seine berühmten Slapstick-Einlagen? Wie bitte? Die „Königin der Nacht“, die bekannteste Koloratur-Arie der Musikgeschichte, für Trompete? Uwe Zaiser beweist, dass er es zwar nicht optisch, aber zumindest die Höhenfestigkeit betreffend mit jeder Opern-Diva aufnehmen kann, augenzwinkernd begleitet von seinen vier Mitstreitern Peter Leiner (Trompete), Uwe Tessmann (Horn), Jochen Scheerer (Posaune) und Ralf Rudolph (Tuba). Eine echte Diva gibt’s dann im Anschluss: Die Koloratur-Sopranistin Elena Harasnyi ist sich nicht zu schade, mit den fünf schweren Jungs gemeinsame Sache zu machen. Letztere halten sich dezent zurück und lassen der zarten Kollegin in der geistlichen Jubelarie „Exsultate, jubilate“ von Mozart genügend Raum zur Entfaltung ihrer glockenklaren Stimme. Neben Harasnyi hat das Quintett noch zwei weitere grandiose Nachwuchskünstler eingeladen, den 20-jährigen Trompeter Sandro Hirsch und den 25-jährigen Tubisten Constantin Hartwig. Ersterer begeistert mit der blitzsauber und wunderbar schlüssig phrasierten Wiedergabe von Haydns Trompetenkonzert. Was danach folgt, scheint nicht von dieser Erde: Wie ein Naturwunder bestaunt man den mitreißend virtuosen Auftritt von Constantin Hartwig, denn normalerweise gilt die Basstuba eher als behäbiges Instrument. Der junge Mann beweist im Konzert für Basstuba und Orchester von Ralph Vaughan Williams das Gegenteil. Und seine lupenreine Interpretation des „Beatles“-Evergreens „Blackbird“ entpuppt sich als der absolute Hammer des Abends. Wie kann man diesem blechernen Ungetüm so filigrane Töne entlocken? Sein Mentor und ehemaliger Lehrer Ralf Rudolph sitzt hinter ihm, hört ruhig zu, aber seine Mimik verrät die Bewunderung. „30 Jahre Rennquintett“, Zeit für einen Rückblick. Schuld an allem ist eigentlich das in den 70er Jahren international gefeierte Ensemble „Canadian Brass“. In deren Fußstapfen wollten die fünf Pfälzer in den 80ern treten, was ihnen (fast) gelungen ist. Wären da nicht urdeutsche Einflüsse, wie der gute alte Posaunenchor oder die bayrische Blasmusik. Ralf Rudolph zum Beispiel habe neun Jahre erfolglos im Posaunenchor mitgemischt, bevor er zum „Rennquintett“ kam, erklärt Moderator Peter Leiner. Und die Blasmusik? Auch sie hat ihre Spuren hinterlassen, wie Leiner als Bierzelt-Virtuose zur allgemeinen Erheiterung demonstriert. Zu den Markenzeichen des Ensembles sind die eigenen Bearbeitungen geworden. Ralf Rudolph und Jochen Scheerer heißen die beiden „Hauskomponisten“, aber gerne greift man auch auf pfiffige Arrangements anderer zurück. Dazu zählt Torsten Maas, der Arrangeur von Udo Jürgens. Seine jazzigen Variationen über das Lied „Ein Männlein steht im Walde“ bilden den Hauptact der zweiten Programmhälfte. Jetzt sind sie richtig in ihrem Element, zelebrieren bei ihrem Gang durch die Geschichte des Jazz musikalische Humoristik vom Feinsten, lassen Ragtime, Swing, Cool- und Free-Jazz Revue passieren. Und immer wieder ist es Uwe Zaiser, der mit seiner schauspielerischen Präsenz die Lacher auf seiner Seite hat. Zu den absoluten Höhepunkten des Abends zählt die Nummer mit Jochen Scheerer, der neben seiner Posaune mit dem Fuß das Schlagzeug bedient und für feurige Salsa-Atmosphäre sorgt. „In der Musik wird geklaut, was das Zeug hält“, informiert Leiner und lässt als letzte Variation gemeinsam mit seinen Freunden die Moldau am Männlein vorbeifließen. Nach einem mitreißenden Charlie-Chaplin-Arrangement von Rudolph gibt’s natürlich noch einige Zugaben. Gemeinsam mit Sandro Hirsch und Constantin Hartwig verabschieden sie sich klangprächtig mit „Buglers Holiday“, bevor Ralf Rudolph zum Alphorn greift, seine Mitstreiter die Schweizer Fahne schwenken und ihre Gesangstimmen in alpenländischer Manier zum Erklingen bringen. Der Komponist und Saxophonist Daniel Schnyder, prominentester Festivalgast in diesem Jahr, beobachtet das närrische Treiben vom Zuschauerraum aus und freut sich über die netten Grüße der frechen Pfälzer an sein Heimatland.