Neustadt „Wirklich schlecht werden soll einem nicht“

Neustadt. Zartbesaitete sind bei Veit Etzold nicht richtig. Der Thriller-Autor, der vor vier Jahren mit „Final Cut“ seinen ersten Bestseller landete, liebt es blutig. In seinem neuesten Buch „Skin“, das er nächsten Donnerstag bei Osiander in Neustadt vorstellt, bekommt der Protagonist Christian König Videos geschickt, die ihn (und die Leser) vor Angst schier in den Wahnsinn treiben. Woher kommt diese Vorliebe fürs Grausige? Der Autor gibt im RHEINPFALZ-Interview Antworten zu Ängsten, Kollegen, Bösewichtern und seiner eigenen Schmerzgrenze.

Herr Etzold, in Ihrem neuen Thriller „Skin“ fahren alle Opfer sozusagen aus ihrer Haut. Wie dick ist Ihr eigenes Fell, was pathologische Details angeht?

Da bin ich eigentlich relativ schmerzfrei, denn die Leichen in der Rechtsmedizin haben’s ja schon alle hinter sich. Schocken kann mich dagegen die Darstellung echter und extremer Gewalt. Das ist etwas anderes als Fiktion. Außerdem muss ich definitiv weggucken, wenn mir selbst Blut abgenommen oder mit Spritzen und anderem Medizin-Gerät hantiert wird. Also lieber Obduktion als Operation? Ja. Im vergangenen Jahr hatte ich eine operative Mandelentfernung, aber ein Aufklärungsbogen für solche OP-Sachen liest sich ja ganz klinisch und steril. Erst hinterher hat meine Frau Saskia, selbst Rechtsmedizinerin, mir erklärt, was dabei alles schief gehen kann und dass sie dann auch schon Patienten dieses Eingriffs hinterher auf ihrem Tisch hatte. Das ist aber nett von ihr, dass sie Ihnen das erst später erzählt hat. Wie haben Sie beide sich eigentlich kennengelernt? Und wie muss man sich Ihre Gespräche vorstellen, wenn ein neues Buch entsteht? Die Rekonstruktion von Todesfällen zwischen Hauptgang und Dessert? Ja, so in etwa. Meine Frau habe ich tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz kennengelernt, da sie im Team meines Autorenkollegens und Freundes Dr. Michael Tsokos, Leiter des rechtsmedizinischen Institutes an der Charité in Berlin, arbeitet. Es klingt ein wenig wie im Film, aber wir haben uns 2008 tatsächlich dort „am Tisch“ zum ersten Mal gesehen. Vier Jahre später wurden wir ein Paar, und 2013 haben wir dann geheiratet. Sie sagt mir, ob eine Idee sehr realistisch ist oder großer Quatsch. Umgekehrt habe ich manchmal eine Idee, wenn ich ihre Telefonate mit Kollegen mitbekomme. Dann kann es auch sein, dass ich die so passend mache, dass ich sie doch noch im Buch verwenden kann. Sollte also mal etwas aus Expertensicht fehlerhaft sein, liegt das nur an mir und auf keinen Fall an meiner Frau. (lacht) Christian König, der Protagonist in „Skin“, ist genau wie Sie Unternehmensberater und in der Bankenbranche tätig. Wie viel von Ihnen selbst steckt in dieser Figur? Freunde von mir meinten, dass es endlich an der Zeit sei, meine Erfahrungen aus der Branche einzubauen. Ihre spätere Reaktion war dann: endlich mal ein Autor, der versteht, wie Beratung wirklich abläuft. Die hohen Anforderungen, die an Christian König schon vor den schockierenden Ereignissen beruflich gestellt werden, sind ihnen allen bestens bekannt. Und da bekommt er ja auch wirklich einiges ab ... Ja, tauschen möchte man mit ihm sicher nicht. Auch ich nicht. Haben Sie deswegen im Roman so viele „Business English“- und „Consulting“-Fachbegriffe verwendet? Einige Fans haben das mit Murren quittiert ... Das stimmt, denn ich möchte meine Figuren natürlich immer so genau wie möglich zeichnen und wollte zeigen, unter welch hohem Druck Christian steht. So soll man verstehen, wie die weiteren Geschehnisse ihn dann so in den Wahnsinn treiben, dass er bald an seinem eigenen Verstand zweifelt. Ihm werden ja auch reichlich Links zu Videos geschickt, die er lieber nicht gesehen hätte. Erschrecken ihre Freunde eigentlich seitdem, wenn sie eine E-Mail von Ihnen bekommen? Nein, das nicht! (lacht) Solche Scherze gibt es in meinem Umfeld nicht. Wer von mir auf diese Weise unterhalten werden will, holt sich das aus meinen Büchern. „Skin“ ist ja auch gespickt mit Anspielungen auf Bücher und Filme von Thriller-Kollegen, zum Beispiel auf Stephen Kings „The Shining“. Wenn Sie einen Lieblingsbösewicht spielen dürften, der nicht aus Ihrer eigenen Feder stammt – wer wäre das? Wahrscheinlich Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“, weil das so ein Zwischending ist. Man weiß nie, ist er jetzt böse oder doch irgendwie gut. Oder den klassischen Bond-Widersacher, der am Ende nochmals genau erklärt, wie er auf seinen Plan gekommen ist und was er noch vorhat. Und ab wo wird es dann selbst für Sie zu drastisch? Es gibt eine Szene für meine Ermittlerin Clara Vidalis in „Seelenangst“ , bei der ich lange überlegt habe, ob ich sie so mache. Und auch in „Die Blutlinie“ von Cody MacFadyen wartet eine Stelle, die ich hier lieber nicht beschreiben möchte. Aber das wissen die Fans, und sie wollen es auch. Nur dass ihnen wirklich schlecht dabei wird, will ich nicht. Das wäre für einen Thriller-Autor zwar auch ein Kompliment, aber am Ende sollen die Leser doch Freude am Lesen haben. Termin Veit Etzold liest am Donnerstag, 15. September, um 20 Uhr in der Neustadter Osiander-Filiale aus seinem Thriller „Skin“ (Bastei-Lübbe, Taschenbuch, 415 Seiten, 10,99 Euro). Karten (10/8 Euro) unter 06321/890070. 4 Euro pro Karte gehen als Spende an die Aktion „Die Pfalz liest für den Dom“. |stbe/Foto: missbehaviour

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