Neustadt „Wir nehmen das als Experiment“
Neustadt-Hambach. Normalerweise steht das Komikerduo „Spitz und Stumpf“ – Bernhard Weller und Götz Valter – für Pfälzer Mundart-Kabarett. Jetzt aber hat Weller zugunsten der Benefizaktion „Die Pfalz liest für den Dom“ eine historische Komödie verfasst: „Von einem, der auszog ... Die Reise des Speyerer Domvikars Bernhard Russ 1482 an den Kaiserhof in Wien“ feierte im Februar in Speyer ihre Uraufführung und ist nun am kommenden Sonntag auch im Hambacher Schloss in Wellers Heimatstadt Neustadt zu sehen. Olivia Kaiser sprach mit dem 57-Jährigen.
Ich habe an der Universität Mannheim Geschichte studiert, und einer meiner Professoren, Karl-Friedrich Krieger, hat eine Vorlesung über die Reise dieses Domvikars gehalten. Der hat nämlich genau niedergeschrieben, was er in diesem halben Jahr in Wien am Hof von Friedrich III. erlebt hat. Seine Aufzeichnungen sind erhalten geblieben. Professor Krieger hat sie ausgewertet und meiner Meinung nach daraus einen hinreißenden Vortrag gemacht. Ich dachte sofort, dass das ein wunderbarer Stoff für eine Komödie wäre, und wollte sie irgendwann schreiben. Das ist jetzt zwar 30 Jahre her, doch letztes Jahr war die Zeit reif, und ich habe mit dem Schreiben begonnen. Das Stück beruht also auf historischen Tatsachen? Genau, diese Reise hat stattgefunden. Als Quellen benutze ich den Vortrag von Professor Krieger und die Originalschriften von Russ. Daraus habe ich verwendet, was für mich und meine Komödie wichtig war. Es ist eine turbulente Komödie daraus geworden, in acht Rollen gespielt, aber dazwischen sind immer wieder szenische Lesungen, die entweder aus Kriegers Vortrag oder dem Originaltext von Russ, ins Neuhochdeutsche übertragen, stammen. Können Sie kurz beschrieben, worum es in Ihrem Stück geht? Auf der einen Seite stehen der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, Friedrich III., der 1482 in Wien residiert, auf der anderen sein Reichsfürst Bischof Ludwig von Speyer. Damals sind Bischöfe auch weltliche Führer, und so ist er vom Kaiser mit bestimmten Rechten ausgestattet, beispielsweise dem Münzrecht. Doch Friedrich nutzt diese Rechte als Druckmittel und verleiht sie mitunter nicht, wenn er von einem Fürsten etwas haben möchte. In diesem Fall will der Kaiser vom Speyerer Bischof Ritter und Soldaten für einen Krieg gegen die Ungarn. Doch unser Bischof weigert sich, deshalb wird er vom Kaiser ans Hofgericht nach Wien gerufen, wo ihm der Prozess gemacht werden soll. Um das zu verhindern, schickt er seinen Legaten Bernhard Russ, der vermitteln soll. Also eigentlich ein ernster Hintergrund. Wie macht man aus diesem Stoff eine Komödie? Russ denkt, dass er in seiner Mission den Streit schnell beilegen könnte. Doch am Ende ist er ein halbes Jahr in Wien. Unser Russ hat deshalb ein sehr schlechtes Gewissen, weil er nichts erreicht und einen Haufen Geld ausgibt für seine Unterkunft oder Bestechungsgelder. Aus Verzweiflung versackt er auch schon mal im Heurigen. Darüber führt er genau Buch, lässt natürlich einiges weg und schönt den Bericht in seinem Sinne. Am Ende lässt er seine Berichte sogar notariell beglaubigen, damit er seinem Bischof beweisen kann, dass er sein Möglichstes getan habe. Sogar die Türsteher bei Hofe bekommen Mitleid mit ihm, weil er immer wieder vergebens versucht, eine Audienz beim Kaiser zu bekommen. Er hält sogar als Priester in der Hofkapelle Gottesdienst, in der Hoffnung, dass der Kaiser ihn bemerkt. Aus einem selbstbewussten Diplomaten wird ein wimmerndes Häufchen Elend, das aber doch ein Happy End bekommt. Die Verwicklungen am Hofe und die Figuren ergeben viel komödiantisches Potenzial. Welche Figuren kommen noch vor? Es sind alles verbriefte Charaktere, die auftauchen. Zum Beispiel Russ’ bewaffneter Begleiter, der ihn auf der Reise beschützen soll, oder auch zwei Kammerdiener. Das sind Gestalten wie bei Shakespeare. Sie sprechen Dialekt, trinken gerne mal einen und haben mit der großen Politik nicht viel am Hut. Sie existierten wirklich, ich habe quasi nur das Fleisch um die Figuren herum geliefert. Dann gibt es noch den Reichskanzler und den Reichsprokurator, die andauernd bestochen werden müssen. Auch die historische Figur des Kaisers bietet viel komödiantisches Potenzial, das ich verwenden konnte. Normalerweise sind Sie und ihr Bühnenpartner Götz Valter „Spitz und Stumpf“. Ist es eine willkommene Abwechslung, einmal in ganz andere Rollen zu schlüpfen? Götz Valter spielt nebenbei beim Kinder- und Jugendtheater und ist da in den verschiedensten Rollen zu bewundern. Es fällt ihm nicht schwer, in mehrere Rollen zu schlüpfen – in diesem Stück sind es fünf. Für mich war es eher die Herausforderung, das Stück zu schreiben und alles umzusetzen. Ich spiele die übrigen drei Rollen, darunter auch Bernhard Russ, doch er ist eher eine passive Figur. Mit ihm geschehen Dinge. Götz Valter spielt die aktiven Parts. Ihr Markenzeichen ist die Mundart. Spricht Bernhard Russ also Pfälzisch und der Kaiser „wienert“? Die sozial höher stehenden Figuren sprechen eher gutes Hochdeutsch. Der Kaiser hat einen leichten österreichischen Akzent, während die Bediensteten richtig breites Wienerisch reden. Der Begleiter von Russ spricht pfälzischen Dialekt – leicht abgewandelt zu heute. Ich habe mich für die Sprache der Figuren teilweise an Romanen vom Anfang des 19. Jahrhunderts orientiert, sodass sie nicht so modern klingen, aber trotzdem verständlich sind. Dürfen wir uns auf weiteren historischen Stoff freuen? Die Pfalz wäre immerhin reich an Anregungen. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie die Resonanz ausfällt. „Spitz und Stumpf“ sind schließlich in dieser Komödie in ganz anderen Rollen zu sehen als sonst. Wir nehmen das jetzt einmal als Experiment. Termin Das Stück „Von einem, der auszog ... Die Reise des Speyerer Domvikars Bernhard Russ an den Kaiserhof in Wien 1482“ ist am Sonntag, 12. März, 19 Uhr, im Hambacher Schloss zu sehen. Karten (22 Euro) bei der RHEINPFALZ, Tabak Weiss, unter 06321/ 33499, 0631/37016618 und www.reservix.de. Der Erlös kommt der Aktion „Die Pfalz liest für den Dom“ zugute |iak