Sauberes Neustadt Wie städtische Kehrmaschinen freie Fahrt haben sollen
Montag, kurz vor zehn Uhr in der Neustadter Pulverturmstraße. Eine Anwohnerin kommt aus dem Haus, steigt in ihren in Richtung Sauterstraße geparkten Wagen und fährt weg. Entweder parkt sie das Auto um oder hat ein ganz anderes Ziel. Wäre sie nicht weggefahren, hätte sie einen Hinweis des städtischen Ordnungsamts riskiert. Noch wäre dieser freundlich gehalten. Denn „Knöllchen“ soll es erst geben, wenn die Sache länger läuft.
Die Sache ist eine Testphase, innerhalb derer die Stadt in acht Straßen der Kernstadt Halteverbote einrichtet , um der Kehrmaschine ihren Einsatz zu ermöglichen. In einigen wenigen Straßen gab es das schon vorher, nun sind weitere dazugekommen. So besteht nun auch in der Humboldtstraße sowie in der Pulverturmstraße und der benachbarten Huttenstraße seit 20. März montags und dienstags von 10 bis 11 Uhr ein wechselseitiges Halteverbot. Sprich: Erst darf nicht in der einen und am nächsten Tag nicht in der anderen Richtung geparkt werden.
Weitere Straßen für die Erprobung sind Friedrich-Ebert-Straße, Hindenburgstraße, Maxburgstraße, Schlachthofstraße und Waldstraße. Gefordert wurde das unter anderem vom Innenstadtbeirat, ein CDU-Antrag im Sommer 2022, der auf Zustimmung im Stadtrat stieß, hatte das Ganze dann endgültig besiegelt.
Verbot, „wo es weh tut“
Für die aktuelle Testphase sei der Bauhof bewusst in acht Straßen hineingegangen, „in denen es weh tut“, sagt der für den Bauhof zuständige städtische Beigeordnete Bernhard Adams. In Hutten- und Pulverturmstraße zum Beispiel wegen der dichten Wohnbebauung, weshalb dort später am Vormittag gereinigt wird, wenn viele bereits auf der Arbeit seien. In der Friedrich-Ebert-Straße hingegen kommt die Kehrmaschine sehr früh, damit die Mitarbeitenden der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd einen Parkplatz finden. Alle in Frage kommenden Straßen eingerechnet, müssten insgesamt rund 170 Halteverbote mit der Verkehrsabteilung abgesprochen, dann die Schilder bestellt und eingebaut werden. Das sei nur nach und nach möglich, so Bürgermeister Stefan Ulrich, der für die Ordnungsbehörde verantwortlich zeichnet.
An jenem Montag kommt die kleine Kehrmaschine – eine von dreien des Bauhofs – pünktlich um 10 Uhr um die Ecke. Am Steuer sitzt Giuliano Kantner, seit 2022 bei der Stadt beschäftigt. Der junge Mann hat die Gelassenheit eines Fahrers, der schon alles erlebt hat. „Immerhin drei Autos weniger als vergangene Woche“, meint er trocken und fährt überall dort am Bordstein entlang, wo die Lücke groß genug ist.
„Im Einsatz für die Anwohner“
Bislang war er in Pulverturm- und Huttenstraße an einem Tag im Einsatz – einmal hoch und einmal runter. Jetzt kommt er montags und dienstags und reinigt je eine Seite, sofern die Autofahrer Platz gemacht haben. „Wir wollen ja saubermachen, weil wir für die Anwohner im Einsatz sind“, erklärt Kantner. Aber diese müssten sich dann auch ein wenig an die Spielregeln halten.
Ulrich und Adams berichten von ersten Erfahrungen, wonach es bisher eine Bürgerbeschwerde aus dem Afrikaviertel wegen des Halteverbots gegeben habe. Sie halten das Verbot aber für verhältnismäßig. Schließlich sei die Kehrmaschine dort nur zwei Stunden in sieben Tagen im Einsatz und nicht das ganze Viertel gesperrt. Von Unverständnis von Anwohnern, die im Wendehammer der Humboldtstraße parkten, berichtet Bauhof-Leiter Oliver Immig. Er wirbt um Verständnis dafür, dass die große Kehrmaschine nicht rangieren könne wie ein Pkw. Ihr Fahrer dürfe, ebenso wie ein Busfahrer, wegen der Sicherheit nicht rückwärts fahren.
Scherben in Rinne gekehrt
Giuliano Kantner ist derweil mit seiner kleinen Kehrmaschine in der Huttenstraße von einem Anwohner gestoppt worden. Dieser bittet darum, Glasscherben aufzunehmen, das in der nahen Ursinusstraße in der Rinne liegt. Kantner kennt seinen Pappenheimer und vermutet, dass dort Sperrmüll auf Abruf war und der Rest einfach in die Rinne gekehrt wurde. Nachdem die Sache erledigt ist, erzählt er noch davon, dass er auch immer mal wieder gebeten werde, auf dem Bürgersteig sauberzumachen. Das aber sei unmöglich. Zum einen seien dafür die Anwohner zuständig, zum anderen sei das viel zu gefährlich. „Zum Beispiel dann, wenn die rotierenden Bürsten in einem Zaun hängen bleiben.“
Anwohner ärgert sich
Ein ganz anderes Problem hat derweil ein Anwohner der Amalienstraße. Dort herrscht wie in wenigen anderen Straßen schon lange ein Parkverbot, wenn die Kehrmaschine kommt. Gereinigt wird montags und freitags zwischen 5 und 6 Uhr. Sehr früh also, weshalb die Anwohner in der Regel schon am Abend vorher umparken müssen.
Was für die meisten von ihnen vielleicht lästiger Alltag ist, ist für Bernhard Rößling ein organisatorisches Problem. Denn der 63-Jährige kämpft mit einer chronischen Lungenerkrankung und ist mittlerweile durchgängig auf Sauerstoffzufuhr angewiesen. Seine Wohnung im dritten Stock verlässt er nur noch, wenn er unbedingt muss. Seine Frau versuche, ihn in allen Lebenslagen zu unterstützen – doch das sei nicht so einfach, wie sich das mancher vorstelle, sagt Rößling. Denn wenn er aus dem Haus geht, muss zum Beispiel auch immer ein Rollstuhl mitgeschleppt werden. Das ist besonders schwierig, wenn der Wagen des Ehepaars mehrere Straßen entfernt steht. Einen Umzug in eine barrierefreie Wohnung traut er sich kräftemäßig nicht zu.
„Parkdruck hoch“
Der Parkdruck in der Amalienstraße sei hoch, sagt Rößling, zumal das Parken im hinteren Teil nichts koste und Auswärtige gern dort parkten. Die Baustellen in der Straße verschärften das Problem. Und eben die Straßenreinigung. „Einmal pro Woche hätte ich das ja noch verstanden“, sagt er. „Aber warum wird kurz vor und nach dem Wochenende gereinigt? So viel Dreck gibt es in der Straße doch gar nicht.“
Die Straßenreinigungssatzung der Stadt sieht vier Reinigungsklassen vor. Je nach Verkehrslage und Bedeutung als Geschäfts- oder Wohnstraße werden sie täglich oder aber ein bis drei Mal wöchentlich gereinigt, wie die Stadtverwaltung erklärt. Maschinen und Personal seien dabei begrenzt. „Bei einer Reinigung zweimal die Woche sollten als Optimalvariante natürlich so viele Werktage wie möglich dazwischen liegen. Das ist aber nicht immer darstellbar.“ Und auch Bauhof-Chef Immig verweist darauf, dass die Möglichkeiten bei sieben Tagen pro Woche und regulär fünf Arbeitstagen beschränkt seien. Zudem sei das Straßennetz groß und die dahintersteckende Logistik komplex.
Hilft Schwerbehinderten-Parkplatz?
Seit Januar wartet Bernhard Rößling derweil auf einen Schwerbehindertenparkplatz. Dieser ist bewilligt, wie die Stadt bestätigt, aber noch nicht markiert, weil der Bauhof „eine lange Liste an Markierungsarbeiten“ habe, die erst bei beständigem Wetter erledigt werden könnten. Wenn der Parkplatz eingezeichnet ist, wird Rößling ihn aber dennoch während der Straßenreinigung räumen müssen.