Neustadt Wie Geflüchtete die Innenstadt wahrnehmen

Stadtführerin Petra Schanze von der Decken (links) mit der Gruppe auf dem Marktplatz.
Stadtführerin Petra Schanze von der Decken (links) mit der Gruppe auf dem Marktplatz.

Sie leben zum Teil schon seit Jahren in der Stadt und möchten noch mehr über Neustadt wissen. Daher hat es nun eine Stadtführung speziell für Geflüchtete gegeben. Dabei werden sogar Erinnerungen an Damaskus wach.

Von den Besuchern des Sprachcafés im Mehrgenerationenhaus in Neustadt kam der Wunsch, bei einer Stadtführung mehr zu erfahren über die Stadt, in der sie nun zum Teil schon seit einigen Jahren leben. Möglich gemacht wurde dies am Dienstagnachmittag auf Initiative von Annette Sperlich, der Leiterin des Mehrgenerationenhauses. Gästeführerin Petra Schanze von der Decken, die auch in der Abteilung Jugendarbeit der Stadtverwaltung arbeitet, führte die Gruppe durch die Stadt.

Bei insgesamt acht Teilnehmenden aus Somalia und Syrien war allerdings die Sprache die größte Hürde, die zu überwinden war. Mit Deutsch, ein bisschen Englisch und zahlreichen, lebhaften Übersetzungen der besser Verstehenden für die anderen wurde diese Hürde aber letztendlich gut gemeistert. Nicht zuletzt dank der fast pantomimischen Begabung der Gästeführerin, die oft mit Händen und Füßen Geschichten und Begebenheiten aus der Stadtgeschichte unterstrich.

„Was sind das für Tiere?“

Start der Führung ist am Elwetritschebrunnen. „Den Brunnen kenne ich schon, aber was das für Tiere sind kann ich mir nicht erklären“, wundert sich Sabrin aus Syrien, die seit vier Jahren in Deutschland ist. Nach einigen Selfies mit den Fantasietieren im Hintergrund wollen alle wissen, was es mit den Tieren auf sich hat.

Auf dem Weg durch die Hintergasse haben es die bepflanzten Höfe den Teilnehmenden besonders angetan, immer wieder müssen Selfies gemacht werden. „Ob man in diesen Höfen Hochzeit feiern kann“, will Saeed wissen. Er ist seit sieben Jahren in Deutschland und kann sich ganz gut verständigen. Als später ein kleiner Modeladen mit Designerkleidung auftaucht, erzählt er, dass er in seiner Heimat zehn Jahre lang als Schneider gearbeitet hat. „Bei der Firma Puma in Syrien habe ich sogar eine Weiterbildung zum Designer gemacht“, erinnert er sich nicht ohne Stolz. In Syrien würde allerdings nach einem ganz anderen System gearbeitet als in Deutschland. Daher hat er hier nach seinem Sprach-Zertifikat eine Weiterbildung in Haustechnik gemacht. „Ich würde so gerne als Haustechniker arbeiten, habe aber leider noch keine Stelle gefunden“ erzählt er. Auf Anregung seiner Frau Mariam, die er im Rollstuhl über das holprige Neustadter Pflaster schiebt, wurde diese Stadtführung überhaupt in Angriff genommen. Für sie ist es wichtig, „Neustadt besser kennenzulernen, dabei Deutsch zu sprechen und auch andere Leute kennenzulernen“.

Duftender Jasminbusch

Das scheint schon ganz gut zu klappen, immer wieder bleiben einzelne Teilnehmer stehen für einen Plausch mit Bekannten, die sie zufällig in der Fußgängerzone treffen. Beim Bronzelöwen vor dem Rathaus werden Parallelen zu Syrien aufgezeigt: „Wir haben in Damaskus auch einen Löwen, denn arabisch heißt der Löwe al-Assad, wie der syrische Herrscher“ erzählt Saeed.

Aus allem Interessanten, das bei der Führung zu sehen ist, scheint für die Teilnehmenden etwas besonders herauszuragen: Ein großer Jasminbusch in der Kundigundenstraße. Da werden die Blüten und Zweige voller Begeisterung befühlt, daran gerochen und sich gefreut, wie gut er duftet. Und auch hier werden wieder Erinnerungen an die Heimatstadt Damaskus geweckt: „Dort gibt es eine ganze Straße mit Jasminblüten.“

Abschluss der Führung ist bei Neustadts historischen Liebenden, Kunigunde Kirchner und ihrem französischen Kavalier De Werth. Gerade zieht die Gästeführerin nach dem Erzählen der Liebesgeschichte den Schluss, dass die Liebe eben alle Menschen miteinander verbindet, da öffnet sich im Obergeschoss des angrenzenden Wohnhauses ein Fenster und ein Anwohner ruft heraus: „Genau, die Liebe – ich bin wieder auferstanden und werde Neustadt auch diesmal verschonen“. Großes Gelächter bei allen Teilnehmenden, wenn auch der Inhalt des Zurufs sicher nicht von allen richtig gedeutet werden kann.

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