Neustadt/Bad Dürkheim/Grünstadt Welche Bücher sich im Oktober entlang der Weinstraße besonders gut verkauften

Zwischen Zwang und Freiheit: Karen Duve hat einen Roman über die bis heute als Sisi verehrte Kaiserin Elisabeth von Österreich-U
Zwischen Zwang und Freiheit: Karen Duve hat einen Roman über die bis heute als Sisi verehrte Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn geschrieben. Das obige Foto von Emil Rabending entstand 1867.

Im Monat der Frankfurter Buchmesse, die endlich wieder stattfinden konnte, und der diversen Literatur-Preisverleihungen ist man auf die Bestsellerlisten der regionalen Buchhandlungen zwischen Neustadt und Eisenberg besonders gespannt. Der absolute Hit gehört allerdings nicht in diese Kategorie.

Dörte Hansen und ihr neuer Roman „Zur See“, der es bereits im September in den Frank-Buchhandlungen in Bad Dürkheim, Grünstadt und Eisebenberg jeweils unter die Top 3 schaffte (und damals hier auch vorgestellt wurde), hat sich nun im Oktober mit sechs Platzierungen zum wahren Überflieger entwickelt. Das neue, ziemlich umstrittene Sachbuch „Die vierte Gewalt“ von Richard D. Precht und Harald Welzer lief ebenso wie Pierre Martins Kriminalroman „Monsieur Le Comte und die Kunst des Tötens“ in zwei Läden erfolgreich. Insgesamt sind die Listen literarisch breitgefächert. Ein Werk der neuen Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux, „Das andere Mädchen“, das in der Neustadter Bücherstube vielgefragt war, findet sich ebenso wie der mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Debütroman der nonbinären Schweizer Persönlichkeit Kim de l’Horizon, „Blutbuch“, der bei Quodlibet einen Listenplatz eroberte.

Nobelpreisträgerin Ernaux forscht einer unbekannten Schwester nach

Da wir Hansens Roman „Zur See“ hier bereits beleuchtet haben, sei heute der schmale biografische Band „Das andere Mädchen“ von Nobelpreisträgerin Ernaux vorgestellt. Als die zehnjährige Annie im Garten das Gespräch ihrer Mutter mit der Nachbarin hört, erfährt sie, dass sie eine Schwester hatte, die mit sechs Jahren an Diphtherie starb. Weder befragt Annie ihre Eltern, noch erzählen diese ihr von der Verstorbenen. Doch diese nie gekannte Schwester, „das andere Mädchen“, lässt sie nicht los. Jahrzehnte später versucht sie anhand von Fotos, einigen verbliebenen Gegenständen wie auch mit dem Blick auf die Grabstätte, ihrer unbekannten Schwester näher zu kommen, indem sie einen Brief an sie richtet. Entstanden ist ein kleiner Band über Kindheit, Verlust und einen Schicksalsschlag, der das Leben einer Familie veränderte.

Medienschelte von Precht und Welzer

In ihrem Buch „Die vierte Gewalt“, über das kontrovers diskutiert wird und das in der Bahnhofsbuchhandlung und bei Hofmann in Neustadt besonders häufig über den Ladentisch ging, vertreten die als Talkshow-Gäste sattsam bekannten Richard D. Precht und Harald Welzer die Überzeugung, dass die Massenmedien hierzulande im Grunde nur ihre eigenen Meinungen abbilden, nur eine einzige Meinungsrichtung vorzugeben und nur selten andere Überzeugungen zuließen. Die Autoren werfen diesen Medien den Hang zum Vereinfachen, Verallgemeinern und Diffamieren vor. Allerdings werden sie in ihrem Buch nicht allzu konkret, Statistisches soll später nachgeliefert werden – so dass sich der Vorwurf des Verallgemeinerns vielleicht auf die Autoren zurückspiegeln lässt.

Karen Duve entdeckt noch Neues über Sisi

In ganz andere Zeiten und Gefilde führt Karen Duves Biografie „Sisi“ über die österreichische Kaiserin Elisabeth, ein It-Girl ihrer Zeit, die bei Frank in Bad Dürkheim gut ankam. Es ist ein detailreiches Porträt aus den Jahren 1876/1877, bei dem man mit Erstaunen feststellt, wie viel noch Unbekanntes über diese neben dem bayerischen Märchenkönig Ludwig II. bis heute wohl populärste Royal des 19. Jahrhunderts erfahren lässt. Diese Sisi ist unterkühlt, äußerst standesbewusst und eine passionierte Parforce-Reiterin. In der streng geordneten monarchischen Welt voller Konventionen und Langeweile versucht sie auszubrechen und auf Reisen und in ihrem ungarischen Schloss freier zu leben. Dorthin lädt die Kaiserin ihre Nichte Marie ein, die eigentlich als Tochter einer Schauspielerin nicht standesgemäß ist. Doch in ihr sieht sie ein freieres Alter ego, so dass die 18-Jährige zu ihrer Vertrauten wird.

Corona legt eine ganze Buchhandlung lahm

Und wie verlief im Monat der Buchmesse und der literarischen Auszeichnungen das Geschäft der regionalen Buchhandlungen? Jutta Laubersheimer, Leiterin der Buchhandlung Hofmann, zeigt sich zufrieden. „Die Buchmesse hat die Nachfrage nach Literatur beflügelt. Auch kamen bei dem schönen Herbstwetter viele Touristen zu uns, was sehr erfreulich war. Zwar lief vor Corona alles noch besser, aber für die jetzige Zeit mit den gestiegenen Papierpreisen und Versandkosten sind wir zufrieden.“

Weniger positiv sieht es Regine Eisele von der Neustadter Bahnhofsbuchhandlung: „Wegen des Weinfestes gab es Einschränkungen, und es kamen weniger Leute zu uns. Das haben wir umsatzmäßig zu spüren bekommen.“ Besonders schwierig war es für die Buchhandlung Quodlibet im Oktober, die wegen der Corona-Erkrankung mehrerer Mitarbeiter/innen ihre Öffnungszeiten reduzieren musste. Inzwischen läuft alles wieder normal, und Jeanette Jung ist sichtlich erleichtert. Zufrieden ist Werner Libor, Inhaber des Buchmarktes in Bad Dürkheim: „Im Oktober verlief alles überraschend gut und besser als in den Vormonaten.“ Und auch Monika Strefler von Frank in Grünstadt freut sich: „ Wir ziehen eine positive Bilanz. Rund um die Frankfurter Buchmesser gab es viele Nachfragen der Kunden. Auch die beiden offenen Sonntage waren bei uns sehr gut besucht. Großes Interesse gab es außerdem an Kinderbüchern und schon jetzt sogar an Weihnachtsbüchern.“

BUCHTIPP: Takis Würgers packender neuer Roman „Unschuld“ liest sich wie ein Krimi

Takis Würgers Roman „Unschuld“ Penguin, gebunden, 304 Seiten, 22 Euro) hat Isabelle Minke von der Neustadter Buchhandlung Osiander mit Spannung gelesen und empfiehlt ihn hier und heute als ihr persönliches Buch des Monats:

„Spannend wie ein Krimi und voller Gesellschaftskritik, das ist der neue Roman von Takis Würger. Wir begleiten die Protagonistin Molly Carver dabei, wie sie undercover bei einer der einflussreichsten Familien Amerikas arbeitet, um ihrem zum Tode verurteilten Vater zu entlasten und zu retten. Er soll in 35 Tagen hingerichtet werden. Wegen Mordes an einem jungen Mann sitzt er in Haft, und Molly weiß genau, dass ihr Vater das nicht gewesen sein kann, auch wenn er die Tat gestanden hat. Deshalb beginnt sie als Hausmädchen bei der Familie des Mordopfers zu arbeiten und reist aus ihrem aktuellen Wohnort New York in die Stadt ihrer Kindheit Rosendale. Alte Wunden reißen auf, und die Vergangenheit holt sie dort wieder ein, denn bei ihren Recherchen findet sie mehr heraus als ihr lieb ist, und sie bereut es schon bald , so tief nachgebohrt zu haben.

Takis Würger, 1985 in Hohenhameln geboren, lässt uns nicht nur am Innenleben seiner interessanten Protagonistin, sondern auch an dem des ermordeten Jugendlichen teilhaben, dessen letzte Tage vor seinem Tod wir ebenfalls miterleben. So wird die Geschichte immer dramatischer, bis sie kurz vor der Auflösung ihren Höhepunkt erreicht.

Im Vorfeld recherchierte Würger monatelang in Hudson Valley, um an Hintergrundinformationen zu den Themen Waffenbesitz und Medikamentenmissbrauch in den USA zu gelangen. Daraus spinnt er ein Netz aus Machtmissbrauch, Intrigen und Lobbyismus. Die fiktionale Geschichte spielt an einem Ort, den es wirklich gibt, und die Gegenden, die der Autor beschreibt, kann man rund um Rosendale i tatsächlich finden. Auch die Geschichte, die er erzählt, hätte genauso passieren können. Darum macht sie umso nachdenklicher und betroffener.“

Die Bestseller-Liste

Bahnhofsbuchhandlung (Neustadt)

1. Mariana Leky: Kummer aller Art

2. Richard D. Precht / Harald Welzer: Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist

3. Pierre Martin: Monsieur Le Comte und die Kunst des Tötens

Buchmarkt (Bad Dürkheim)

1. Dörte Hansen: Zur See

2. Christiane Hoffmann: Alles, was wir nicht erinnern

3. Jayati Ghosh / Johan Rockström: Neuer Bericht an den Club of Rome

Frank (Bad Dürkheim)

1. Dörte Hansen: Zur See

2. Pierre Martin: Monsieur Le Comte und die Kunst des Tötens

3. Karen Duve: Sisi

Frank (Eisenberg)

1. Dörte Hansen: Zur See

2. Daniela Dröscher: Lügen über meine Mutter

3. Juli Zeh: Über Menschen

Frank (Grünstadt)

1. Stefanie Stahl: Wer wir sind

2. Gina Mayer: Internat der bösen Tiere – Die Entscheidung

3. Peter Prange: Der Traumpalast - Bilder von Liebe und Macht

Hofmann (Neustadt)

1. Thomas Hürlimann: Der Rote Diamant

2. Richard D. Precht / Harald Welzer: Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist

3. Dörte Hansen: Zur See

Neustadter Bücherstube

1. Annie Ernaux: Das andere Mädchen

2. Denis Scheck: Schecks Kulinarischer Kompass

3. Isabel Allende: Violeta

Osiander (Neustadt)

1. Sebastian Fitzek: Mimik

2. Colleen Hoover: Nur noch einmal und für immer

3. Dörte Hansen: Zur See

Quodlibet (Neustadt)

1. Dörte Hansen: Zur See

2. Kim de L’Horizon: Blutbuch

3. Ulrike Herrmann: Das Ende des Kapitalismus

Isabelle Minke von der Neustadter Buchhandlung Osiander empfiehlt Takis Würgers Roman „Unschuld“ als ihr persönliches Buch des M
Isabelle Minke von der Neustadter Buchhandlung Osiander empfiehlt Takis Würgers Roman »Unschuld« als ihr persönliches Buch des Monats.
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