Am Rande der Bande Warum Neustadter Segelflieger von der Weihnachtswelle schwärmen

Pilot Ulrich Steinlechner nimmt mit seiner Spezialkamera in der ASH25 die zum Greifen nahe Eiswolke auf.
Pilot Ulrich Steinlechner nimmt mit seiner Spezialkamera in der ASH25 die zum Greifen nahe Eiswolke auf.

Viele Menschen wünschen sich fürs neue Jahr alles Gute. So mancher Wunsch ist bereits zu Weihnachten in Erfüllung gegangen. Bei den Neustadter Segelfliegern gab es die Bescherung sogar schon vor dem Fest.

Die Segelflieger des FSV Neustadt hatten schon zwei Tage vor Weihnachten ihre Bescherung: Sturmtief Franziska brachte ihnen die die Weihnachtswelle.

Tatsächlich gebe es inzwischen mehrere Wettervorhersagemodelle, die das recht seltene Phänomen der Leewellen im Oberrheingraben vorhersagten, informiert Bernd Schwehm, Pressereferent FSV Neustadt. „Trotzdem gehört immer etwas Abenteuerlust zu dieser Version des lautlosen Luftsports dazu.“

Warnung der Wetterfrösche

Noch am Vorabend warnten einige Experten, die im Frontbereich von Tief Franziska herbeigeführte Feuchte würde das Fliegen an der Haardtkante unmöglich machen. Trotzdem trafen die ersten Segelflieger am Donnerstagmorgen noch im Dunkeln auf dem Flugplatz in Lachen-Speyerdorf ein. Bei einem frischen Kaffee versammelten sie sich im Clubheim. Draußen prasselten derweil noch die Regenschauern auf das Hallendach, bevor der kräftige Wind einsetzte.

„Dann ist es jedes Mal wie eine Offenbarung“, beschreibt Schwehm die Situation. „Die Wolkendecke reißt auf, die Sonne scheint durch eine immer größer werdende Lücke auf die diesmal grüne Landschaft der Weinstraße.“ Zeit für die Segelflieger, die Hallentore aufzuschieben und mit vereinten Kräften die Flugzeuge startklar zu machen für die Höhenflüge.

Fußsohlenheizung und Wollmütze

Noch wichtiger neben dem Fluggerät sei bei den winterlichen Flügen allerdings die persönliche Ausstattung der Piloten und Pilotinnen: warme Skikleidung gegen die niedrigen Temperaturen. Fußsohlenheizung und Wollmütze gehörten ebenso zur Standardausrüstung. Aber auch die Verpflegung und „Entsorgung“ bei den frostigen Temperaturen in großer Höhe stellten eine Herausforderung dar: „Eine gefrorene Banane kann man auch lutschen, ein gefrorener Apfel ist nicht essbar.“ Ab Flughöhen von 4000 Metern brauche der menschliche Körper Höhensauerstoff, um die abnehmende Luftdichte auszugleichen, weiß der FSV-Pressereferent. Das lasse sich im Segelflugzeug mit kleinen Sauerstoffflaschen und Nasenkanülen bewerkstelligen.

Durch die Föhnlücke

Als am Donnerstag gegen Mittag die ersten Schleppzüge mit den Segelfliegern starteten, sind die optischen Eindrücke der Lachen-Speyerdorfer Piloten überwältigend. Schwehm: „Während in der Südpfalz die Kollegen auf dem Flugplatz Landau-Ebenberg im Regen stehen, kann man von Neustadt aus durch eine große Föhnlücke in die Leewelle als Segelflieger einsteigen und mit konstantem Steigflug schnell über die untersten Wolkenschichten steigen.“ Das akustische Variometer zeige mit hohem Piepsen die guten Steigwerte an, der zunehmende Wind lasse das Flugzeug fast auf der Stelle stehen. Es gehe nach oben wie im Fahrstuhl.

Doch dann komme in der ersten Kurve die klassische Höhenbewölkung einer Leewelle in Sicht: die Lenticularis-Wolke. „Eine Eiswolke in Linsenform, vom fast 100 Sachen starken Wind geformt im aufsteigenden Ast der ersten Schwingung.“ Diesmal über der Vorderpfalz sogar als mehrfach übereinander gestapelte Version. In den Cockpits werden die Handykameras gezückt und das „geniale Naturschauspiel“ festgehalten, während die Segelflugzeuge mit konstantem Steigflug an die Grenzen des Luftraumes stoßen.

Luftverteidigung übt

Eigentlich gibt es seit diesem Winter ein spezielles Wellenfenster für die Segelflieger, das die Hobbypiloten in großen Höhen vor den dicken Verkehrsfliegern schützen soll. Doch als die ersten Neustadter Piloten gegen 14 Uhr die Flughöhe von 3000 Metern erreichen, müssen sie den Steigflug an der Lentiwolke stoppen. Die Luftverteidigung hat kurzfristig ein Übungsgebiet über dem Pfälzerwald aktiviert. Schwehm: „Da ist leider kein Platz mehr für die Wellenflieger.“

Gegen 15.30 Uhr wird es dann Zeit für die Segelflieger, die Luftbremsen auszufahren und wieder abzusteigen. Die Föhnlücke erlaubte es, zwischen Edenkoben und Grünstadt über die Wolkendecke zu steigen. Doch jetzt kommen von Süden die nächsten Regenschauer hereingezogen. Das Naturschauspiel findet ein schnelles Ende.

Als die Flugzeuge sicher verstaut und die Hallentore auf dem Lilienthal-Flugplatz wieder geschlossen sind, ist es so wie am frühen Morgen: dunkel und regnerisch. Und der Flugplatz gehört jetzt wieder den grasenden Schafen. Die Bescherung der Piloten ist vorbei.

Die vorweihnachtliche Bescherung für die Neustadter Segelflugpiloten: Eine Föhnlücke tut sich über dem Flugplatz Lilienthal auf.
Die vorweihnachtliche Bescherung für die Neustadter Segelflugpiloten: Eine Föhnlücke tut sich über dem Flugplatz Lilienthal auf.
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