Interview Wann Bürger sich bei der Polizei melden sollen

Wenige Tage nach dem Vorfall waren Polizisten in Gimmeldingen, um Anwohner zu befragen.
Wenige Tage nach dem Vorfall waren Polizisten in Gimmeldingen, um Anwohner zu befragen.

Vor ein paar Wochen hat ein lauter Knall die Gimmeldinger aufgeschreckt. David Grimm verrät, was die Polizei mittlerweile über den Vorfall weiß, und warum es wichtig ist, dass sich Bürger mit ihren Beobachtungen bei der Inspektion melden.

Herr Grimm, am letzten Oktober-Wochenende hat ein lauter Knall viele Bürger in Gimmeldingen aufgeschreckt. In der Redaktion haben sich Bürger mit Hinweisen gemeldet, bei Ihnen sicher auch. Haben Sie die Ursache denn finden können?
Leider nicht. Wir müssen aufgrund der Hinweise aus der Bevölkerung fest davon ausgehen, dass es ein Knallereignis gegeben hat, das in seiner Intensität über alltägliche Geräusche hinausgegangen war. Im Rahmen der Ermittlungen haben wir alle in Frage kommenden Tätigkeiten mit negativem Ergebnis abgeklärt, wie beispielsweise Sprengungen im nahe gelegenen Steinbruch, eine Jagd oder auch das Durchbrechen der Schallmauer durch ein Flugzeug.

Und nun? Bleibt ein komisches Gefühl oder wie würden Sie das „offene Ergebnis“ als Polizist bewerten? Eigentlich wollen Sie ja, dass die Menschen mit Blick auf Sicherheit keine Fragen umtreibt …


Grundsätzlich sind wir bestrebt, jeden Fall, der in unsere Zuständigkeit fällt, aufzuklären. Nicht nur aus unserem gesetzlichen Auftrag heraus, sondern auch aufgrund der Leidenschaft zum Beruf. Wir wollen, dass unser Dienstgebiet für die Bevölkerung sicher ist und sich die Menschen auch sicher fühlen. Hierzu gehört sicher auch der konkrete Fall in Gimmeldingen. Grundsätzlich als Auslöser denkbar gewesen wären ja auch ein unerlaubter Umgang mit Sprengmitteln oder andere beunruhigende Konstellationen. Gern hätte ich, wie beispielsweise im Mai 2020, über unseren Twitter-Kanal informiert, dass der Knall von einem Flugmanöver hergerührt hatte und so den Anlass zur Sorge direkt entkräften können. Leider konnten wir diesen Fall nicht komplett aufklären. Wir haben aber keinerlei Hinweise auf Beschädigungen, Rückstände von Explosionen oder weitere derartige Ereignisse.

Nehmen wir den Knall als Beispiel: Ist es korrekt, wenn sich Bürger bei Ihnen melden, sobald Ihnen etwas komisch vorkommt oder sie etwas Ungewöhnliches beobachtet oder gesehen haben?
Vollkommen richtig. Bei der Vielzahl an Sachverhalten, die das Leben bietet, kann ich natürlich keine allgemeingültige Richtschnur bieten, ab welcher Hürde man sich bei den Rettungskräften melden sollte. Aber spätestens wenn, wie Sie es beschreiben, „einem etwas komisch vorkommt“, sollte man sich nicht scheuen, uns zu kontaktieren. In der Mehrzahl der Fälle können wir erst tätig werden beziehungsweise den Sachverhalt aufklären, wenn wir Hinweise aus der Bevölkerung erhalten. Nach dem Knall in Gimmeldingen erhielten wir zum Beispiel nur einen Anruf. Im Verlauf der Ermittlungen wurde jedoch klar, dass der Knall von vielen wahrgenommen wurde. Je mehr Informationen wir direkt nach einem solchen Ereignis bekommen, umso zielgerichteter können wir es bewerten und unsere Maßnahmen ausrichten.

Also muss sich niemand schämen oder als Denunziant fühlen?
Sicher nicht bei Ereignissen, die von der Intensität her mit dem Vorfall in Gimmeldingen vergleichbar sind. Leider ist zunehmend Egoismus auch im Meldeverhalten festzustellen. Während Sachverhalte, die etwa das eigene Eigentum tangieren, doch häufig niedrigschwellig gemeldet werden und dabei die Polizei zum Ausschöpfen aller (auch unrechtmäßigen) Maßnahmen aufgefordert wird, ist das Meldeverhalten bei wesentlich gravierenderen Ereignissen, jedoch ohne persönliche Betroffenheit, oft deutlich eingeschränkter.

Das ist aber schon auch schmaler Grat, weil man ja gar nicht immer Schlimmes in seiner Nachbarschaft vermuten möchte …
Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Menschen sehr ernst und sind stets ansprechbar. Man sollte sich die Frage stellen, ob man sich wünschte, dass einem durch Verständigung der Rettungskräfte geholfen wird, wenn man selbst der Leidtragende in dem konkreten Fall wäre. Betroffene oder Personen, die etwas beobachten, sollen bitte jeden verdächtigen Sachverhalt sofort bei uns melden.

Wie geht die Polizei eigentlich vor, wenn eine Info eingeht, dass Fremde in Straßen beobachtet wurden oder man etwas Verdächtiges gehört hat?
Ihre Frage ist recht offen gehalten. Ihr Beispiel ist jedoch durchaus realitätsnah, denn oft haben Mitteilende keine weitergehenden Informationen. So ist natürlich auch eine Vielzahl von Fallkonstellationen denkbar, die als Hintergrund einer solchen Beobachtung in Frage kommen. Je mehr Informationen wir zu einer solchen Beobachtung haben, umso genauer können wir den Sachverhalt eingrenzen und zielgerichtet unser Maßnahmenpaket schnüren. Grundsätzlich kommen sowohl offene als auch verdeckte Maßnahmen in Betracht.

Wie oft gehen solche Infos/Hinweise eigentlich bei Ihnen ein?
Wie bereits gesagt, es sind viele Fallkonstellationen denkbar, die unter das von Ihnen geschilderte Szenario fallen, wie beispielsweise das Ausspähen von Objekten, falsche Wasserwerker oder Hofsanierer, aber auch das Missdeuten von Tourismus. Von daher würde ich die Frequenz solcher Meldungen mit mehrmals wöchentlich schätzen.

Wenn sich jemand bei Ihnen meldet, welche Angaben wären für Sie dann wichtig, um ermitteln zu können – wahrscheinlich genauer Ort, Uhrzeit …?
Grundsätzlich sollte man insbesondere bei telefonischer Schilderung des Sachverhalts mit der Örtlichkeit beginnen, wo wir hinfahren sollten. Dies vor dem Hintergrund, dass die Verbindung abbrechen und nicht mehr aufgebaut werden kann. Danach sollte man versuchen, das Ereignis kurz zusammenfassend darzustellen sowie seine Personalien und die Erreichbarkeit nennen. Wünschenswert wäre, wenn auf Rückfragen der aufnehmenden Beamtinnen und Beamten zielgerichtet eingegangen werden würde.

Sind Bürger eigentlich gerne bereit, sich als Zeuge oder Hinweisgeber zur Verfügung zu stellen?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Die Bereitschaft ist von der Art des Sachverhalts, der persönlichen Betroffenheit beziehungsweise dem Bezug zum Ereignis und auch von der Person selbst sowie deren Haltung zu gesellschaftlichen und staatlichen Strukturen abhängig.

Helfen Ihnen die Smartphones, weil vielleicht schnell mal ein Bild oder eine Aufnahme gemacht werden kann?
Natürlich ist mit dem technischen Fortschritt in der erweiterten Telefonie einiges besser und einfacher geworden. Hilfskräfte können, im Gegensatz zu früher, nahezu immer an Ort und Stelle verständigt werden. Rückfragen der Einsatzkräfte sind oft direkt unter Zuhilfenahme der Funktionen der Geräte (Fotos, Standortbestimmungen, Informationen aus dem Internet) qualifizierter zu beantworten. Mit dem Start der Nora-App werden nun Menschen unterstützt, die nicht oder nicht gut telefonieren können, weil sie zum Beispiel eine Sprach- oder Hörbehinderung haben oder weil sie Deutsch nicht so sicher sprechen, dass sie sich am Telefon gut verständigen können.

Zu Person

David Grimm ist Polizeihauptkommissar und Sachbearbeiter Einsatz bei der Polizeiinspektion Neustadt. In Neustadt ist er seit August 2018, davor war er in den Inspektionen in Speyer, Edenkoben und Wörth.

David Grimm
David Grimm
x