Neustadt Und plötzlich kam es bunt

Bei der traditionsreichen Radio- und Fernsehtechnik-Firma Werlé in Forst (im Bild Mitinhaberin Stephanie Fürst) erinnert man sic
Bei der traditionsreichen Radio- und Fernsehtechnik-Firma Werlé in Forst (im Bild Mitinhaberin Stephanie Fürst) erinnert man sich noch gut an die Anfänge des Farbfernsehens. Unter anderem erläutern Tafeln aus der Zeit vor 40, 50 Jahren den Aufbau der ersten Geräte.

«Forst/Neustadt.» „Unser Vater hat im Wohnzimmer bunt geschaut, wir Kinder noch lange schwarz-weiß“, berichtet Fritz Werlé, Inhaber der alteingesessenen Radio- und Fernsehtechnik-Firma Werlé in Forst. Damit seien sie als Kinder aber sehr zufrieden gewesen, weil die Freiheit, eigene Sendungen abseits der Eltern auf einem Zweitgerät schauen zu dürfen, von ihnen damals ungleich höher bewertet wurde als die Farbe. Schwarz-Weiß-Fernsehen kannten die Menschen in Deutschland schon seit den 50er Jahren. Der Tag der Einführung des bunten Bildes habe in der Familie trotz der beruflichen Berührungspunkte aber keine große Rolle gespielt und der erste private Farbfernseher erst Jahre später in die Wohnung Einzug gehalten, erinnert sich Werlé. Im Geschäft dagegen habe sich der Vater trotz zunächst geringer Nachfrage, enormer Preise und der anfangs ja auch noch begrenzten Sendezeit sofort auf die neue Technik eingestellt. Denn dass sich das Farbensehen in Deutschland durchsetzen und zu einem großen Markt entwickeln würde, war Fernsehfachleuten schon damals klar. An viele klangvolle Firmennamen, die heute so nicht mehr existieren, erinnert sich auch Radio- und Fernsehtechnikermeister Bernhard Braun vom ehemaligen Fachgeschäft Radio-Braun in Neustadt: Telefunken, Grundig, Schaub-Lorenz, Nordmende, Saba, Kuba-Imperial sind einige der deutschen Firmen, die er stellvertretend für den damals schnell florierenden Produktionszweig nennt. „Da gab es noch Industrieschulungen für die Handwerksbetriebe“, erinnert er sich. Damit die neue Technik kompetent verkauft werden konnte, habe beispielsweise Telefunken stark in die Weiterbildung der Fachbetriebe investiert. In Neustadt fiel die neue Technik ohnehin auf fruchtbaren Boden, hatte doch der 1908 hier geborene Walter Bruch das PAL-System in einem Telefunkenlabor entwickelt und dann patentieren lassen. Seiner Arbeit ist heute ein kleiner Abschnitt in der Dauerausstellung im Stadtmuseum in der Villa Böhm gewidmet, und Neustadt hat auch eine Straße nach ihm benannt. „Eigentlich gab es ja Farbfernsehen schon“, erklärt Braun. Denn die Amerikaner hätten bereits mit dem teuren NTSC-System bunt gesehen, allerdings mit Farbschwächen. Ein weiteres System ist das französische Secam, das bis heute in Frankreich, Russland und Westafrika im Einsatz ist, auch wenn viele ehemalige Secam-Länder des früheren Ostblocks inzwischen zu PAL übergelaufen sind. Bruchs Verdienst damals sei die Weiterentwicklung zu einer Technik gewesen, die bei den Wellenlängen der Farben automatische Farbkorrekturen vornahm und stabil wiedergab, erläutert Braun. „Rote, grüne und blaue Kathoden haben Farbe auf die Röhre produziert“, erklärt sein Kollege Werlé das Prinzip. Durch Mischen dieser Grundfarben sei es bunt geworden. Die Röhren wecken auch bei Radio- und Fernsehtechnikermeister Gerard Luipold, der mit seinem Betrieb seit Jahrzehnten in Lachen-Speyerdorf ansässig ist, nostalgische Gefühle. Er beschreibt die Entwicklung des Innenlebens der Fernsehapparate mit ihren Farbkanonen in Deltaröhren, aber auch die Inline-Röhren für ein helleres Bild. Die Bildschirme in Schwarz-Weiß waren rund, die Farbfernsehbildschirme dann rechteckig für den größeren Blickwinkel, „Ein- und Ausschalter, Kontrast- und Laufstärkeregler, übersichtlich“, schmunzelt er – und ohne Fernbedienung gut für die Fitness. Einen Kaufboom und damit einhergehend eine technische Weiterentwicklung hätten Sportereignisse wie die Olympischen Spiele 1972 und die Fußball-WM 1974 gebracht, erinnern sich alle drei Fachleute, die auch noch die seinerzeit dank Fernsehübertragungen besonders gut besuchten Gaststätten vor Augen haben. „Zunächst gab es Farbfernsehen nur zeitlich begrenzt“, erklärt Werlé – ein paar Stunden pro Woche auf den lediglich zwei vorhandenen Sendern ARD und ZDF, daneben einige Regionalprogramme, alles mit Sendeschluss und Testbild. Was in Farbe gesendet wurde, hätten die Programmzeitschriften – die RHEINPFALZ hatte damals, in den 70er Jahren, den Beileger iWz – besonders gekennzeichnet. „Und die Auswahl der Sendungen in Farbe war nicht gerade riesig“, sagt Melanie Landmann-Grübius aus der 150 Jahre alten Firma Landmann Grübius GmbH in Neustadt. Der Entertainer Peter Alexander sei in ihrer Erinnerung einer der ersten Männer in Farbe gewesen. Als plötzlichen Höhepunkt habe ihre Familie den Farbfernseher schon deshalb nicht empfunden, weil man zunächst noch einige Jahre weiter die kompatiblen Schwarz-Weiß-Geräte genutzt habe. Altgeräte seien damals immer wieder repariert worden, erinnern sich auch Werlé und Luipold, was ja auch ökologisch durchaus sinnvoll war, auch wenn man den Begriff damals noch nicht kannte. Auch heute noch bieten sie in ihren Betrieben Fernsehgerätereparaturen neben dem Markengerätehandel an, peppen Altgeräte auf, wenn das Herz der Besitzer an ihnen hängt. Bei neueren Geräten sei das aber oft gar nicht mehr möglich. Von analog zu digital, „geappt“, gestreamt – alles wird immer schneller entwickelt, aber eines bleibt: die Farbe. Termin Das „Deutsche Film- und Fototechnik-Museum“ in Deidesheim feiert das Jubiläum des Farbfernsehens in Deutschland am 9. und 10. September mit einer Sonderveranstaltung mit Vorträgen und Filmvorführungen im Pfarrzentrum St. Bernhardushof.

Der Neustadter Walter Bruch entwickelte das heute weltweit führende PAL-Farbfernseh-System.
Der Neustadter Walter Bruch entwickelte das heute weltweit führende PAL-Farbfernseh-System.
Willy Brand gab 1967 den symbolischen Startschuss zum Farbfernsehen in Deutschland.
Willy Brand gab 1967 den symbolischen Startschuss zum Farbfernsehen in Deutschland.
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