Neustadt Theaterfestes in der Buergyderuijtergallery
Eine jüdische Frau flieht vor der Ausgrenzung in der Nazi-Diktatur und muss dazu ihren deutschen Mann verlassen. Diesen scheint das aber nur recht zu sein. Offenbar haben beide viel zu lange die Augen vor dem Unrecht geschlossen und dazu geschwiegen.
Das Theaterstück, frei nach einer Episode aus dem Theaterstück „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ von Bertolt Brecht, beginnt still: Eine Frau packt einen Koffer, sie trägt einen Judenstern, der 1941 den noch in Deutschland lebenden Juden ab sechs Jahren fast jede Freiheit nahm und dessen Nichttragen schwere Strafen und auch öffentliche, gewalttätige Übergriffe nach sich zog. Etwas unschlüssig überlegt sie, ob sie auch ein Bild von ihrem Mann, einen Oberarzt, und sich als glückliches Paar mitnehmen soll. Überhaupt ist ihre innere Anspannung und Traurigkeit beim Packen zu spüren. Im starken Kontrast dazu tönen fröhliche Schlager aus dem Radio. Als der Koffer fertig gepackt ist, beginnt sie sich per Telefon von Verwandten und Freundinnen zu verabschieden, wobei sie nur gegenüber ihrer Freundin Anna ihre tatsächliche Verzweiflung zeigt.
Bitteres Selbstgespräch
Anschließend führt sie ein bitteres, an ihren abwesenden deutschen Mann, einen gesellschaftlich gut situierten Oberarzt, gerichtetes Selbstgespräch, welches das Ausmaß der Entfremdung zwischen ihnen zeigt: „In der letzten Zeit habe ich oft daran gedacht, wie du mir vor Jahren sagtest, es gäbe wertvolle Menschen und weniger wertvolle, und die einen bekämen Insulin, wenn sie Zucker haben und die andern bekämen keins. Und das habe ich eingesehen, ich Dummkopf!“ Dann klagt sie ihn an: „Was seid ihr für Menschen, ja, auch du! Ihr erfindet die Quantentheorie und lasst euch von Halbwilden kommandieren, dass ihr die Welt erobern sollt, aber nicht die Frau haben dürft, die ihr haben wollt. Künstliche Atmung und jeder Schuss ein Russ! Ihr seid Ungeheuer oder Speichellecker von Ungeheuern!“
Als dann aber ihr Mann, gesprochen von Peter Miklusz, anruft, leugnet sie ihr Leid. Er versucht sie auch nicht etwa aufzuhalten, sondern scheint eher erleichtert, lügt sie und vielleicht auch sich selbst an, ihre „Reise“ würde ja nur kurz dauern. Als sie anschließend das Radio anmacht, ertönt hasserfüllte antisemitische Hetze, es scheint keinen anderen Ausweg als Flucht zu geben, sie lässt das Bild da und geht. Dann aber kehrt sie doch zurück und kauert sich auf dem Sofa ein. Die nun im Hintergrund gezeigten Bilder aus Konzentrationslagern legen nahe, dass auch diese jüdische Frau im Holocaust ermordet werden wird.
Erschreckende Inneneinsichten
aus Bertolt Brechts Szenen aus „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ gehören zu den genauesten und erschreckenden Inneneinsichten aus der Zeit der Nazidiktatur. Die Miklusz haben die Handlung dabei in die letzte Phase des Terrors gegen die jüdische Minderheit gelegt, nämlich kurz bevor 1941 die zuvor betriebene Vertreibung in systematische Deportationen und Ermordung gesteigert wurde.
Daniela Miklusz spielte die jüdische Frau so überzeugend, dass man beispielsweise bei den imaginären Telefonaten fast meinte, den Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung zu hören. Allein durch ihre Mimik und Gestik, die die inneren Konflikte und Ängste spiegelten, ließ sie das Publikum vergessen, sich in einem Theaterstück zu befinden. Ihre beeindruckend realistische Darstellung erzeugte über weite Strecken eine sehr stille und bedrückte Stimmung im Saal.
Anschließende Diskussion
Am Ende aber folgte erneut in nun zum dritten Mal ausverkauften Festsaal der Galerie langanhaltender stehender Applaus. Die anschließende Diskussion nutzten dann gleich eine ganze Reihe von Gästen, um den Miklusz ihren Dank dafür auszusprechen, dass sie als auf großen Theaterbühnen und Film erfolgreiche Schauspieler ihr Können gezielt für die die demokratische Gesellschaft vor Ort einsetzen. Jede der Aufführungen habe aufgerüttelt und zugleich ermutigt, sich zu engagieren. Die anschließende teils emotional geführte Diskussion kreiste erneut darum, wie dem wachsenden Rechtsextremismus zu begegnen sei und zeigte auch Betroffenheit darüber, dass derzeit oft die tatsächlich stattfindende Verfolgung vieler Menschen auf der Flucht ausgeblendet werde.
Zudem fragten gleich mehrere anwesende Lehrerinnen, ob es nicht möglich sei, eines oder mehrere der Stücke in ihren jeweiligen Schulen aufzuführen, wozu sich das Ehepaar Miklusz auch bereit erklärte.
Info
Alle drei Stücke des Festivals werden auch nochmal an jedem Donnerstag im Oktober im Café Mon Général, Zwerchgasse 1 um 19.30 Uhr Einlass 19.15 aufgeführt, Eintritt zehn Euro. Darunter „Warum musste ich von dir gehen?“ am 3. und 24. Oktober.