Neustadt „Telefoniere viele Stunden mit meinen Fahrern“

Erich Baumgärtner (rechts, hier 2017 mit Jamie Green in Moskau) betreut seit vier Jahren das Auto von Jamie Green.
Erich Baumgärtner (rechts, hier 2017 mit Jamie Green in Moskau) betreut seit vier Jahren das Auto von Jamie Green.

«Neustadt.»Es ist nicht immer alles gerade gelaufen im Leben von Erich Baumgärtner. Aber genau deswegen macht dies den 59-Jährigen so interessant. „Ich bin ein Quereinsteiger“, sagt der Renningenieur, der seit 18 Jahren beim Team Rosberg arbeitet. Gelernt hat der hagere Mann, der jeden Tag von Heilbronn nach Neustadt in die Rosberg-Zentrale pendelt, als Zimmermann. Sein Onkel hatte einen Betrieb, den er mit seinen Cousins hätte übernehmen sollen. Doch daraus wurde nichts.

Stattdessen ging er für zehn Jahre nach England und bildete sich dort zum Kfz-Techniker weiter. Dabei kam er auch mit dem Motorsport in Berührung, half bei Teams in der Formel Ford und in verschiedenen Tourenwagen-Serien. 1992, nach seiner Rückkehr nach Deutschland, wollte der Vater von drei Kindern eigentlich mit dem Motorsport aufhören. Doch Thomas Winkelhock, Onkel des späteren Rosberg-Piloten Markus Winkelhock und ein Bekannter der Familie Baumgärtner, bat ihn um einen Freundschaftsdienst. Schon war er wieder infiziert. Doch dieses Mal hat er entschieden, es professionell zu machen. Über Hofmann-Motorsport in Hannover kam er im Jahr 2000 zum Team Rosberg, um das Formel-3-Projekt zu betreuen. Seit 2010, nach einem Jahr Pause, arbeitet er im DTM-Team als Renningenieur. Seit vier Jahren betreut er das Auto von Jamie Green. Und ist begeistert, nicht nur vom Speed des 33-jährigen Briten. „Er sticht schon heraus“, sagt er über den dreifachen Vater. Als ähnlich gut bezeichnet er auch die Zusammenarbeit in der Formel 3 mit Nico Rosberg, dem Formel-1-Weltmeister von 2016 und Sohn des Team-Eigners, sowie mit Gary Paffett, dem DTM-Champion von 2005. Was Baumgärtner an seiner Arbeit fasziniert? „Man sieht sehr schnell, ob man seinen Job gut macht oder nicht“, sagt er. Und grundsätzlich kann Baumgärtner mit seiner Leistung zufrieden sein. In den vergangenen Jahren konnte Green immer um die Meisterschaft mitfahren. Doch es hat nie sollen sein. Das nagt auch am Mann am Kommandostand. Im vergangenen Jahr musste der Rosberg-Pilot Mattias Ekström vorbeiziehen lassen. Am Rennsonntag in Spielberg lag Green in Führung, bis das Getriebe streikte. Und in Hockenheim verlor er wegen der fünften Verwarnung zehn Startplätze. „Er hätte jedes Mal einen riesigen Schritt Richtung Meisterschaft machen können“, sagt Baumgärtner. Hätte, hätte – das zählt nicht. Am Ende wurde er Vierter. In diesem Jahr ist die Ausgangssituation völlig anders. Der Audi RS5 ist nicht richtig konkurrenzfähig. Doch aufgeben ist weder für Green noch für Baumgärtner eine Option. Sie versuchen gemeinsam, das Unmögliche möglich zu machen. Wie in der Lausitz, als sie sich nach kurzer Diskussion für die Risikostrategie entschieden. Green kam schon nach einer Runde zum Reifenwechsel. „Klar war es zu einem gewissen Grad auch Gambling, ein Glücksspiel“, sagt der Ingenieur, „aber Jamie kann mit den Reifen gut umgehen, sodass er auch am Schluss noch damit fahren kann.“ Es reichte zu Platz sechs. Immerhin war Green bester Audi-Pilot. Dieses Husarenstück haben Green und Baumgärtner am Montag danach noch einmal ausführlich am Telefon besprochen. Wie so vieles. „Ich telefoniere viele Stunden mit meinen Fahrern“, sagt der Ingenieur. Allerdings nicht regelmäßig. „Manchmal haben wir auch eine Woche keinen Kontakt.“ In dieser Zeit kümmert sich Erich Baumgärtner zu Hause in Heilbronn um ein ganz anderes Projekt: Von einem Onkel hat er einen Weinberg vererbt bekommen. Etwa 1000 Liter geben die Reben. Die meiste Arbeit werde von einer Genossenschaft übernommen, bekennt Baumgärtner. Und ergänzt: „Meine Kompetenz liegt mehr im Trinken.“ Eine sehr ehrliche Aussage ...

2003 hat Erich Baumgärtner im Team Rosberg mit Nico Rosberg, dem späteren Formel-1-Champion, zusammengearbeitet.
2003 hat Erich Baumgärtner im Team Rosberg mit Nico Rosberg, dem späteren Formel-1-Champion, zusammengearbeitet.
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