Neustadt „Sprühe Flamme, glühe Eisen“

Neustadt. Gleich zweimal Musiktheater zum Preis von einem, vor der Pause der „Waffenschmied“ von Albert Lortzing, nach der Pause die „Fledermaus“ von Johann Strauß – die Neustadter Liedertafel scheute in ihrem Konzert am Samstagabend im Saalbau wieder einmal keine Mühen gescheut, um dem Publikum einen großen Abend zu bereiten.

Das zeigt schon der Blick auf die Besetzungsliste: der Philharmonische Chor, drei Gesangssolisten, dazu die Kammerphilharmonie Weinheim als Opernorchester, die Balletteleven der Ballettschule Schreieck und als verbindendes Element Hedda Brockmeyer, die in Hambach das „Theater in der Kurve“ leitet, als Moderatorin. Die Gesamtleitung hatte Hans Jochen Braustein. Für die beiden kompletten Opern (Die „Fledermaus“, obwohl offiziell Operette, darf man ruhig als Oper ansehen) hätte die Zeit nicht gereicht, aber vermisst hat niemand etwas. Reichlich Ensembleszenen auf der Bühne mit dem Chor, Einzelarien, dazu Hedda Brockmeyer als Erzieherin Irmentraut, die zwar nicht sang, aber mit viel Witz dafür sorgte, dass den Zuhörern die komplette Handlung stets gegenwärtig war, und die Musik, da kann man sich schon mal kürzer fassen. In der Komischen Oper von Albert Lortzing – sie wurde 1846 in Wien uraufgeführt und spielt in einer Art märchenhaftem, spätem Mittelalter – geht es um den Waffenschmied Hans Stadinger, der sein 25-jähriges Meisterjubiläum feiert, und die Liebes- und Heiratshändel seiner Tochter Marie. Wilfried Staber, Ensemblemitglied an der Oper im Heidelberger Theater gibt mit saalfüllendem Bass den Stadinger, der sein Jubiläum in gebührender Aufregung vorbereitet („Morgen ist ein wichtiger Tag“). In der Werkstatt geben vorher die Männer der „Liedertafel“ die fleißigen Schmiedegesellen mit Lederschürzen und hochgewickelten Ärmeln, die zum Takt der Schläge auf den Amboss singen: „Sprühe Flamme, glühe Eisen“, und gleich darauf Feierabend machen („Horch, die Feierstunde schlägt“). Alles wäre ein Idyll, wenn, ja wenn da nicht Geselle Konrad wäre, der in Wirklichkeit ein Graf ist und dieser Bühne fern bleibt, und der um die Tochter Marie wirbt. Der Chor sorgt aber für eine schöne Meisterfeier mit einem Picknick in den Weinbergen, die genauso gut bei Neustadt hätten stehen können. Strohhüte, „Landhausmode“ oder Dirndl, Weinflaschen – alles sah so aus wie auf den Gemälden des 19. Jahrhunderts zum fröhlichen Winzerleben in der Pfalz. Dazu passte, dass später Wilfried Staber – immer noch in der Rolle als Stadinger, eine Hymne an Neustadt sang, die in der Original-Oper nicht vorkommt, beim Neustadter Publikum aber große Begeisterung auslöste. Marie, die hübsche und von Sopranistin Eva-Maria Haas zur Freude des Publikums weit temperamentvoller und weniger passiv als im Original – die Zeiten haben sich eben doch geändert – verkörperte Tochter des Schmieds, ist verliebt in den vermeintlichen Gesellen Konrad, soll aber den Gesellen Georg ehelichen, von Tenor Juhan Tralla, aus Estland stammendes Ensemblemitglied vom Nationaltheater Mannheim, gespielt und gesungen. Da kein Konrad zur Stelle, heiratet, entgegen der Oper, Marie ihn, den Widerstrebenden, eine Szene voller Witz. Dafür singt er gut, ist doch auch was. Die jüngste Eleven der Ballettschule ließen die Gemüter sich dazwischen erholen mit einem getanzten Marsch. Nach der Pause ging es in der „Fledermaus“ um viel Walzer, Champagner, und was der so mit einem anstellt. Eva- Maria Haas war hier Rosalinde, die liebende und sehr gewitzte Ehefrau des Herrn von Eisenstein, der ins Gefängnis muss, Juhan Trulla ihr Gesangslehrer Alfred, champagner- und walzerselig, mit den Arien „Trinke Liebchen, trinke schnell“, „Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist“ und „Brüderlein und Schwesterlein“, und Wilfried Staber gab den Gefängnisdirektor. Der Chor, in schwarzen Abendkleidern mit Federboa oder Frack oder Smoking, war eine vom Champagner entfesselte Party-Gesellschaft, gelegentlich im Gleichtakt schwankend. Hedda Brockmeyer gab die Adele, die nicht sang, weil sie ja voll damit beschäftigt war, dem Publikum die quirlige Handlung nahe zu bringen. Wer vermisste aber auch Adeles Gesang, wenn er stattdessen Eva-Maria Haas in der Doppelrolle als Rosalinde und temperamentvolle, Csardas singende ungarische Gräfin haben konnte! Die Tänzerinnen der Ballettschule Schreieck taten ein übriges in einer großen Walzerszene, mit rotgetupften Röcken, weißen und fliederfarbenen, ein Auftritt, dass man glaubte, auf dem Wiener Opernball zu sein. Dazu wurde die Musik der „Fledermaus“ denn auch um den „Kaiserwalzer“ ergänzt.

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