Neustadt Sommertagsbräuche: Und dann kracht es

Auch heute noch ist die Winterverbrennung für viele Kinder ein beliebtes Spektaktel.
Auch heute noch ist die Winterverbrennung für viele Kinder ein beliebtes Spektaktel.

Die kalten Tage in dieser Woche haben gezeigt: Der Winter lässt noch nicht locker. Eine gute Gelegenheit, um an längst vergessene Sommertagsbräuche zu erinnern. Diese folgten im 19. Jahrhundert an der Haardt ganz besonderen Abläufen.

Wer sich dabei Haardt und Hambach anschaut, sieht: Selbst in nahe beieinander liegenden Dörfern waren die Bräuche ganz anders ausgeprägt. Gemeinsam haben die Sommertage dabei Figuren wie den „Fähnrich“ oder die „Nudelgred“, die Hambacher haben wie die Forster auch einen Hansel Fingerhut. Überall aber gibt es den grünen Sommer und den strohtrockenen Winter, welcher dann verbrannt wird.

1909 beschrieb Johannes Weintz in Haardt, wie dort zu Beginn des 19 Jahrhunderts der Sommertag gefeiert wurde. Man findet diesen Bericht in der Haardt-Chronik von Karl Beck. Johannes Weintz schreibt dort: „Gefeiert wurde gleich zweimal: Vier Wochen vor Ostern (an Okuli) feierten die Mädchen und eine Woche später (an Lätare) die Buben. Die Mädchen wanden Tage vor dem Fest einen Kranz aus Efeu und Buchs, schmückten ihn unter anderem mit bunten Papierbändern und ausgeblasenen Eiern und banden ihn an einen Stab. Ein Mädchen trug den Kranz, zwei andere hatten Hängekörbe, mit weißen Tüchern ausgeschlagen. Darin wurden die Gaben verwahrt, die freundliche Leute gespendet hatten: Mehl, Butter, Eier. Auch Geld gab es. Der kleine Zug bewegte sich singend von Haus zu Haus.“ Wenn die Mädchen ihren Gang durchs Dorf beendet hatten, machten sie es sich bei Kaffee und Selbstgebackenem gemütlich.

Wortstreit zwischen Sommer und Winter

Beim Sommertag der Buben holten acht bis zwölf 14- bis 16-Jährige sich auf dem Bürgermeisteramt die Erlaubnis zu einem Umzug, der an Lätare erfolgen sollte. Sie erbaten sich Stroh, Weiden und hölzerne Fassreifen. Daraus bereiteten sie zwei oben spitz zulaufende Gestelle. Das eine umkleideten sie mit Efeu, Buchs und Tannenzweigen (früher noch mit Weidenkätzchen und Mandelblüten) und krönten es mit einem Buchsbüschel. All das sollte den Sommer symbolisieren.

Um das andere Gestell entstand der Winter – eine Strohauflage, umwunden mit einem aus Stroh geflochtenen Zopf, dessen Ende mit einem Büschel Kornähren versehen wurde. Zwei Jungen schlüpften in beide Gestelle und trugen „Sommer“ und „Winter“ durchs Dorf, voran der sogenannte „Fähnrich“ in Uniform und Federbusch. „Großvater“ und „Großmutter“ waren seine Begleiter: Sie gaben den Zuschauern an den Straßen Proben von ihrem Schnupftabak aus einer Birkendose. An markanten Punkten des Dorfs kam es auf Geheiß des Fähnrichs zu einem Wortstreit zwischen Sommer und Winter.

Behörde verbietet das bunte Treiben

Später sagte der Fähnrich: „Meine Herren, ich will mich selbst legen drein, der Winter muss zerschossen sein.“ Und dann krachte es. Dreimal mussten „Sommer“ und „Winter“ singend um die alte Linde auf der Unterhaardt gehen, bis der Fähnrich entschied: „Als Kriegsfähnrich bin ich ernannt, den Stab trag’ ich in meiner Hand, den Degen auf der Seite, damit fang’ ich an zu streite. Frisch, über frisch, hier hab’ ich meinen Federwisch! Brüder, gebt Feuer!“ Rasch schlüpften die Buben aus ihren Verkleidungen, und zur allgemeinen Freude wurde der Winter verbrannt. Die jungen Leute gingen nun noch einmal durchs Dorf. Der Fähnrich ließ sich von den Bewohnern die Geldbüchse füllen, ein anderer Teilnehmer ein leeres Weinfässchen auf seinem Rückkorb. Dabei sangen sie: „Ri, ra, ro, der Sommertag ist do, heut’ über Jahr sind wir wieder da! Roter Wein, Brezeln drein, heut’ wollen wir lustig sein!“ Den Abschluss bildete eine Zusammenkunft in einem gastlichen Haus, wo Essen und Trinken besondere Zuneigung fanden.

Nach den Aufzeichnungen von Johannes Weintz wurde dem Sommertag durch ein behördliches Veto ein glanzloses Ende bereitet. Die Gemeindebehörde war der Meinung, dass das Treiben in eine Bettelei ausgeartet wäre und gab am Ende der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts keine Genehmigung mehr.

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