Neustadt „Prozess, der über Monate geht“
Wie facettenreich das Thema Übergewicht und Adipositas ist, bewies die gestrige fünfte Auflage der RHEINPFALZ-Sprechstunde in Kooperation mit dem Neustadter Krankenhaus Hetzelstift: Dr. Yann Asbeck, Oberarzt am Adipositaszentrum des Hetzelstifts, stand den Anrufern Rede und Antwort.
Ein überraschender Aspekt der Gespräche war, dass es unter Umständen sogar sinnvoller sein kann, mehr zu essen: „Lang andauernde Diäten können nämlich auch dazu führen, dass der Körper seinen Energieverbrauch dauerhaft so reduziert, dass keine Gewichtsabnahme mehr stattfindet“, erklärt Asbeck. Ein erster sinnvoller Schritt könnte daher sein, täglich zu notieren, was und wie viel man isst und trinkt. Zweckmäßig sei darüber hinaus auch aufzuschreiben, ob bei der Nahrungsaufnahme der Genuss dominiert oder das schlechte Gewissen. „Eins ist klar: ohne essen geht es nicht“, sagt der Chirurg, der am Adipositaszentrum regelmäßige Sprechstunden zum Thema anbietet (Anmeldung unter Telefon 06321/859-8445). Im Gegensatz zum Rauchen könne man sich die Nahrungsaufnahme also nicht einfach abgewöhnen. Um jedoch bewusster mit der Ernährung umzugehen, könne eine gezielte und fundierte Ernährungsberatung Patienten bei der Gewichtsabnahme unterstützen. Denn nicht nur Einschränkungen der Lebensqualität, auch Folgeerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Arthrose können die Folge davon sein, wenn der menschliche Körper auf Dauer zu viel Gewicht mit sich herumschleppen muss. „Für viele unserer Patienten ist es schon ein tolles Erlebnis, sich wieder selbst die Schuhe binden zu können“, erklärt Asbeck nur einen der vielen Aspekte, die Übergewicht im täglichen Leben haben kann: „Wenn man dafür immer fremde Hilfe braucht, ist das schon ein massives Problem.“ Dass eine Operation immer nur der letzte Schritt sein kann, stellte er beim Anruf einer 58-jährigen Haßlocherin klar: Mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 36 – der BMI setzt Körpergröße und Gewicht in Beziehung – gelte die Frau zwar als übergewichtig, doch eine Operation komme für sie erst in Betracht, wenn alle konservativen Methoden zur Gewichtsabnahme gescheitert seien. Da sie keine Begleiterkrankungen habe, riet er der Dame zu einem ärztlich begleiteten Diät-Programm und mehr Bewegung, um die überflüssigen Pfunde auch wirklich loszuwerden. Auch individuelle Gewohnheiten spielen beim Thema Übergewicht eine wichtige Rolle – ebenso wie beim Abnehmen: „Das ist ein Prozess, der Monate andauern kann, deswegen halte ich von Vier-Wochen-Diäten grundsätzlich nicht viel. So etwas kann aber zum Entgiften und Entschlacken sinnvoll sein“, erklärt Asbeck. Für eine dauerhafte Gewichtsabnahme sei es jedoch sinnvoller, Ernährungs- und Einkaufsgewohnheiten zu ändern: So könne schon die bewusstere Auswahl der Produkte ein erster Schritt auf dem Weg zum Erfolg sein. Dass man durchaus wissen kann, was man falsch macht, aber es trotzdem tut, zeigte der Anruf einer 50-Jährigen aus Haßloch: Sie brauche eben abends eine Tüte Gummibärchen als Nervennahrung, erklärt sie ihre 98 Kilo bei 1,65 Meter Körpergröße. „Eine Operation kann nur ein Anker sein, der wichtige Rest spielt sich im Kopf ab“, begründet Asbeck, warum das Adipositaszentrum auch mit psychologischer Betreuung arbeitet.