Neustadt „Pfarrberuf wird weiblicher“

Ein Schmuckstück von Speyer: die Dreifaltigkeitskirche.
Ein Schmuckstück von Speyer: die Dreifaltigkeitskirche.

Aktuell sind in der Evangelischen Kirche der Pfalz 232 Pfarrerinnen im Dienst. Gestern haben sie 60 Jahre Zugang der Frauen zum vollen Pfarramt und zur Ordination gefeiert. Ellen Korelus-Bruder hat mit Christine Gölzer, Pfarrerin der Dreifaltigkeits-Kirchengemeinde, über den Umgang der Protestanten mit ihren weiblichen Pfarrern gesprochen.

Frau Gölzer, feiert die Landeskirche ihre Pfarrerinnen in diesen Tagen?

Es gab schon einige Feiern und Diskussionsforen rund um den Internationalen Frauentag im März. Auch bei den Unionsfeierlichkeiten im September wird die Frauenordination eine Rolle spielen. Wissen Sie noch, wann Ihnen die erste Pfarrerin begegnet ist? Da muss ich wirklich überlegen. In meiner Jugend im katholisch ländlichen Bayern gab es fast nur Pfarrer. Auf Kirchentagen habe ich allerdings sehr streitbare Pfarrerinnen kennengelernt. Sie haben wohl auch meinen Wunsch nach dem Theologiestudium mitbefeuert. Waren Frauen in der evangelischen Landeskirche den Kollegen von Anfang an gleichgestellt? Wir feiern ja 60 Jahre Frauenordination und 50 Jahre Gleichstellung im Amt. Die ersten Frauen hatten also noch sehr hohe Hürden zu überwinden. Noch zu meiner Studienzeit in den 1980er Jahren durften männliche bayerische Kollegen die Zusammenarbeit mit einer Frau aus Gewissensgründen verweigern. Pfälzer waren da immer schon deutlich weiter. Hatten Pfarrerinnen 1958 andere Arbeitsbedingungen als Pfarrer? Männer konnten auf ein tradiertes Rollenbild zurückgreifen. Auch in meinen Anfangsjahren war es durchaus noch so, dass uns Frauen eher die Seelsorge und das einfühlsame Gespräch zugesprochen wurde als Geschäftsführung und das Leiten von Gremien. Andererseits hatte ich als Berufsanfängerin in den 1990er Jahren auch mehr Freiheiten, neue Rollenbilder auszuprobieren. Hat sich im Vergleich zu früher noch mehr geändert? Es hat sich sehr viel verändert. Ich würde sagen, dass die Menschen, die mir in meiner Arbeit begegnen - bis auf ganz wenige Ausnahmen - keinen Unterschied mehr machen zwischen Männern und Frauen im Amt. Was heute zählt, ist die Qualität der Arbeit und nicht das Geschlecht der Person. Und das finde ich richtig gut! Seelsorge bei Bedarf rund um die Uhr, Sonn- und Feiertagsarbeit: Ist der Beruf wirklich familienfreundlich? Ein klares Nein! Familienfreundlich ist er nicht. Das gilt auch für die Väter. Es erfordert viel Geschick und Einsatz, die Qualität beider Bereiche nicht leiden zu lassen. Mangelnde Struktur in der Arbeitszeit verhindert klare Tagesabläufe und macht es oft sehr stressig, Familienarbeit und Dienst unter einen Hut zu bringen. Wenn Telefon oder Türklingel immer Priorität haben, fühlen sich Kinder manchmal zurückgesetzt. Unterstützt die Kirche Pfarrerinnen mit Kindern? Vielleicht sagen wir besser: Pfarrfamilien. Denn das gilt auch für die männlichen Kollegen. Da hatte und habe ich leider das Gefühl, dass wir im Pfarramt vor Ort ganz oft allein gelassen werden. Natürlich sind Erziehungszeiten im Pfarrhaus mittlerweile klarer geregelt als in meinen Anfangsjahren. Doch der Eindruck ist schon der, dass große Wirtschaftsunternehmen in dieser Hinsicht weiter sind als die Landeskirche. Warum gibt es auch nach sechs Jahrzehnten noch Nachwuchsprobleme bei Frauen in der Kirche? Gibt es die? Aus meiner Beobachtung wird der Pfarrberuf deutlich weiblicher. Wenn es um Führungspositionen geht, besteht sicher noch Nachholbedarf. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Der Landeskirchenrat hat ja jetzt schon drei weibliche Mitglieder. Sie sind Pfarrerin, Ehefrau und Mutter. Wie vereinbaren Sie Beruf und Familie? Meine Kinder sind ja nun groß. Dafür kommen familiär andere Aufgaben: der Enkel und auch die Sorge um die älter werdenden eigenen Eltern. Und so bleibt das immer ein Spagat und ist in jedem Einzelfall neu auszutarieren. Diesem Berufsbild fehlen einfach feste Strukturen und klare Auszeiten. Selbst wenn ich frei habe, kann ich die Gedanken ja nicht einfach abschalten. Und mal eben schnell an den Computer gehen, ein paar Mails beantworten: Nun, die Versuchung ist groß... Wo sehen Sie Handlungsbedarf der Landeskirche? Auf der mittleren Ebene, also bei den Dekaninnen und Dekanen haben wir sicher noch Handlungsbedarf. Das ist ein Wahlamt, in dem die Männer oft noch die Nase vorn haben. Aber ich bin sehr zuversichtlich. Tauschen Sie sich mit den beiden Speyerer und der Kollegin in Römerberg über das Frausein im Pfarramt aus? Puh, teils ja, teils nein. Wenn sich eines dieser Themen in den Vordergrund drückt, schon. Es kommt ja schon mal vor, dass jemand lieber „einen richtigen Pfarrer“ etwa für die Beerdigung hätte. Aber das wird immer seltener. Was nicht heißt, dass wir nicht wachsam bleiben müssen. |

Christine Gölzer.
Christine Gölzer.
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