Neustadt Nach der Tat kein Alkohol im Blut

„Das wollte ich alles nicht, wie es passiert ist, ich wollte nur mit ihr reden, und dann ist der Typ dazwischen gekommen“, sagte gestern zum Auftakt eines Prozesses am Schwurgericht des Landgerichts Frankenthal ein 23-Jähriger aus dem Landkreis Germersheim. Er soll am Abend des 9. Juli 2018 in einer Wohnung in der Karolinenstraße seine Freundin mit einem Küchenmesser erstochen und einen Nachbarn schwer verletzt haben. Totschlag und versuchten Totschlag wirft Oberstaatsanwältin Doris Brehmeier-Metz dem 23-Jährigen deshalb vor. Dass er zugestochen hat, das bestreitet der Angeklagte nicht. Was aber genau am späten Abend des 9. Juli in dem Haus passiert ist, das war gestern auch nach mehreren Stunden, in denen die Juristen dem 23-Jährigen zahlreiche Fragen stellten, nicht wirklich klar. Immer wieder schilderte der 23-Jährige das Geschehen anders, gab auf Fragen unterschiedliche Antworten. „Ich habe schwarz gesehen und war nicht bei mir“, sagte der Angeklagte über den Moment, in dem er auf die Frau einstach. Er könne sich nicht erinnern, plötzlich habe er gesehen, „dass die Verstorbene verletzt ist“. „Die Verstorbene“, dieses Wort benutzte der Angeklagte gestern meistens, wenn er über die Mutter seines 14 Monate alten Sohnes sprach. Bei einer Vernehmung durch die Polizei habe er gesagt, es sei eine „Kurzschlusshandlung“ gewesen, er habe zugestochen, damit die Frau nicht weiter vor ihm flüchte, erinnerte der Vorsitzende Richter Alexander Schräder den Angeklagten. „Ich habe bei der Polizei einfach nur geredet, das war nicht ich selbst“, antwortete der Angeklagte. Geflüchtet ist die Frau, nachdem der Mann an der rückwärtigen Fassade des Hauses zum dritten Stock hochgeklettert war und die Scheibe des Schlafzimmers der Wohnung eingeschlagen hatte, in der das Paar bis wenige Tage vor der Tat gemeinsam lebte. Am 4. Juli hatte ihn die Polizei der Wohnung verwiesen. Er habe mit der Frau reden wollen, deshalb habe er am frühen Abend des 9. Juli geklingelt. Sie sei auf den Balkon gekommen, habe aber nicht geöffnet, erzählte der Angeklagte. Er habe sich dann auf die Treppe des Karolinenstegs gesetzt und knapp eine Flasche Wodka getrunken, zuvor habe er schon etwa eine halbe Flasche Wodka getrunken gehabt, außerdem habe er mehrere Joints geraucht. Nach Angaben von Schräder hatte eine Blutprobe, die dem 23-Jährigen in der Tatnacht entnommen wurde, einen Alkoholwert von 0 Promille. „Das passt nicht zusammen“, so Schräder. Später sei er wieder zu dem Haus, sagte der 23-Jährige. Nachdem er die Fensterscheibe eingeschlagen hatte, habe er erst nach seinem Sohn geschaut, „weil der geweint hat“. Die Frau sei aus der Wohnung gelaufen und habe ein Stockwerk tiefer an eine Wohnungstür „gehämmert“. Er sei hinterher, habe gesehen, dass „eine blonde Frau“ die Tür aufmachte, die beiden Frauen seien in die Wohnung, er sei hinterher. „Dann ist ein Mann in die Wohnung gekommen und hat ohne etwas zu fragen mich angegriffen“, schilderte der Angeklagte das weitere Geschehen. Auf Nachfrage von Georg Krist, Rechtsanwalt des verletzten Nachbarn, sagte der 23-Jährige, der Mann habe erst gefragt, was los sei und ihn dann angegriffen. Der 23-Jährige erzählte weiter, dass er sich nicht habe wehren können, weil er sich beim Einschlagen der Scheibe an der rechten Hand verletzt habe. Er habe mit der linken Hand nach einem Messer gegriffen, das in einer offenen Schublade gelegen habe und auf den Mann eingestochen. Die Frau sei inzwischen in eine andere Wohnung gerannt, dort seien zwei Männer gewesen. „Es war alles irgendwie zu schnell“, sagte der 23-Jährige über das weitere Geschehen. Drogen, Alkohol, Schläge, Würgen, ein Kontaktverbot, Trennung und Versöhnung kennzeichneten die Beziehung des Paares, das seit Frühjahr 2016 zusammen war. Der Prozess wird am 12. März, 9 Uhr, fortgesetzt.