Über den Kirchturm hinaus Mehr als eine Nummer

Annette Leppla
Annette Leppla

Wer sieht die Menschen und nicht nur die Zahlen?

Kennen Sie das auch? Ich werde gerne gesehen, wenn der Blick, der auf mir ruht, wohlwollend ist. Und übersehen zu werden, kann sehr wehtun. Den kritischen, bewertenden Blick mag ich hingegen gar nicht. Aber wenn sich mir jemand freundlich zuwendet, weil er oder sie sieht, dass es mir nicht gut geht, kann das Balsam für meine Seele sein.

Gesehen zu werden, ist ein Urbedürfnis des Menschen: Ich will mehr sein als einer von acht Milliarden Menschen auf der Erde, mehr als eine Identitäts- oder Steuernummer. Wir hören von der Anzahl der Toten im Ukraine-Krieg und von 13,8 Millionen Menschen, die hierzulande unter der Armutsgrenze leben. Statistische Befragungen finden heraus, dass 42 Prozent der Menschen in Deutschland sich einsam fühlten. Für alles gibt es Zahlen. Doch hinter all diesen Zahlen verbergen sich Namen und ganz persönlichen Lebensgeschichten. Wer sieht diese Menschen?

„Du bist ein Gott, der mich sieht“, das ist die Jahreslosung 2023 der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus der Bibel. In einer völlig verzweifelten Situation erfährt die rechtlose Sklavin Hagar durch einen Engel: Da ist jemand, der mich sieht mit meinem ganz persönlichen Schicksal. Unter seinem liebevollen und wertschätzenden Blick bin ich mehr als eine Nummer und mehr als eine Fremde ohne Rechte. Hagar spürt ihre Würde. Sie kann zurück ins Leben gehen.

Was auch immer geschieht, da ist jemand, der mich freundlich ansieht. Ich bin mehr als eine Nummer. Diese Zuversicht will ich mitnehmen ins neue Jahr. Ob wir einander zu Engeln werden können, indem wir uns das gegenseitig spüren lassen?

Die Autorin

Annette Leppla, Pfarrerin der protestantischen Kirchengemeinde Haardt.

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