Neustadt Martin Mosebachs Roman „Das Blutbuchenfest“

Martin Mosebachs neuen Roman „Das Blutbuchenfest“ (Hanser Verlag, 448 Seiten, 24,90 Euro) hat Edeltraut Knerr von der Buchhandlung Hofmann inhaltlich und sprachlich fasziniert. Als Buch des Monats stellt sie ihn heute vor:

„,Das Blutbuchenfest’ ist ein Gegenwartsroman, der in Frankfurt am Main spielt, aber über die erzählte Zeit hinaus weist. Dabei werden unterschiedliche soziale Milieus dargestellt: Es gibt einen Ich-Erzähler Mitte 30, der gerade eine langwierige Promotion in Kunstgeschichte hinter sich gebracht hat und nun auf dem freien Markt von einem halbseidenen Projektmacher namens Wereschnikow angeheuert wird. Es geht um den Beginn der Balkankriege um 1990, der Zerfall Jugoslawiens droht, und der Kongress soll die ,Würde’ auf dem Balkan in den Mittelpunkt rücken. Die eigentliche Hauptfigur aber ist Ivana, eine bosnische Putzfrau, die durch ihre Tätigkeit die besseren Kreise Frankfurts von innen kennenlernt, durch sie wird das Personen-Tableau des Romans zusammengehalten. Da sind etwa der Immobilienhai Breegen, die Agentin Markies, die altersdemente Modeschöpferin Colisée, der Banker Dr. Glück und natürlich der Ich-Erzähler sowie der Politik-Kultur-Manger Wereschnikow. Letzterer ist daneben auch Mittelpunkt eines tragikomischen Liebesverwirrstücks, das rokokohafte Züge hat: Wereschnikows strahlendblonde Geliebte Maruscha hat heimlich Breegen als zweiten Geliebten, und weil ihre mütterliche Freundin Kasia ihr rät, wenn sie mit zwei Geliebten nicht mehr zu Rande käme, könne die Lösung nur ein dritter Geliebter sein, kommt noch ein junger kraushaariger Fensterputzer dazu. Es geht hier weniger um realistische Abläufe als vielmehr um ein Prosagemälde, das mit Leitmotiven und geschickt eingesetzten Farbtupfern arbeitet. Am wichtigsten dabei sind die Blutbuche im Garten des Dr. Glück, bei dem am Ende ein dekadent-apokalyptisches Fest stattfindet, und das rote Kleid der Putzfrau Ivana. Den Schluss bildet eine Parallelschaltung zwischen dem kaputten Wohlstandsfest in Frankfurt und dem Beginn des Krieges in Bosnien – ohne jeglichen politischen oder moralischen Fingerzeig. Es geht eher darum, wie buntscheckig und uneinsehbar das irdische Leben ist. Sehr gut haben mir an diesem Roman des 1951 in Frankfurt geborenen und 2007 mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichneten Schriftsteller seine Sprache, die intelligente Unterhaltung und die kunstvoll detailliert dargestellten Personen gefallen.“ (wss)

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