Neustadt Lieber die beste statt die bequeme Lösung

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BAD DÜRKHEIM/DEIDESHEIM. An Weihnachten stand sie schon nicht mehr auf der Kanzel, am Tag danach hat sie ihr Büro ausgeräumt. Ulla Hoffmann hat das „Amen“ hinter ihr Amt als Dürkheimer Dekanin gesetzt. Nach insgesamt 32 Berufsjahren als Pfarrerin hat sie Silvester als Ruheständlerin im neuen Haus auf den Höhen von Herxheim am Berg gefeiert, wo sie schon seit Juli „einen Traumblick“ über die Rheinebene genießen und „stundenlang ,Himmel gucken’“ kann. „Do isses wie dehämm“, sagt sie, und meint die Sickinger Höhe, wo der Wind pfeift und wo sie herstammt – nicht das einzige, was sie mit ihrem katholischen Kollegen Norbert Leiner in der jetzigen Heimat verbindet. Wobei ihr heftiger als ihm der Wind bisweilen hier entgegenblies – zuletzt im öffentlichen Disput um die avisierte Rückkehr des Leininger Kanzelaltars in die Bad Dürkheimer Schlosskirche. Ist sie schon froh, dass sie nun ihre Leitungsfunktion und das Managertum ihres Amtes hinter sich lassen kann, wie sie bekennt, dann umso mehr, dass damit auch die „Emotionen und Irrationalitäten“ um diesen Altar zu Ende sind. Sie seien „nicht bekömmlich“ gewesen, sagt sie und meint „fast feindselig“. Sie hätte es auch physisch nicht mehr geschafft, bekennt sie, die seit knapp vier Jahren gesundheitlich mehr zu kämpfen hat, als sie sich je hat anmerken lassen. Jetzt „will ich nur noch meine Ruhe“. Die wird sie in den nächsten Wochen und Monaten sicher finden, zunächst in Israel, das sie auch vielen Dürkheimern nahegebracht hat in den zwölf Jahren als Dekanin, und in der zweiten Heimat für sie und ihren Mann Christian, der Belle Ile in der Bretagne. Sie mache nun keinen Urlaub mehr, sondern sie gehe auf Reisen, sagt die demnächst 60-Jährige lachend, die offiziell erst Mitte Juni aus dem Dienst scheidet. Ihre Stelle hingegen ist jetzt obsolet: Zum Jahresende greift die Fusion der Kirchenbezirke Bad Dürkheim und Grünstadt. Ihrem künftigen Nachfolger Stefan Kuntz übergibt sie neben dem Pfarrhaus in der Heinrich-Bärmann-Straße als dessen neue Residenz auch die 24.000 Protestanten ihres Dekanats, zu dem auch die protestantische Kirchengemeinde Deidesheim gehört. „Ihre Kerch“, die Klosterkirche Seebach, hat sie seit dem Wurstmarkt im Windschatten der Kanzeldebatte an der Hauptkirche innen gerade generalüberholen lassen. Die letzte Erneuerung lag fast 50 Jahre zurück. Die scheidende Dekanin als Gegnerin der Kirchenmusik abzutun, wie die Gegner des Kanzelaltars es ihr antun, ist fast absurd. „Kirchenmusik ist Teil meines Lebens“, sagt Ulla Hoffmann. Sie habe selbst acht Jahre lang Orgel gespielt und in ihrer vorherigen Pfarrstelle Kallstadt/Erpolzheim (1992 bis 2004) ebenso wie ihr Mann bei Bedarf den Leiter des Kirchenchors in den Singstunden vertreten. Und sie habe geholfen, dass trotz der Fusion sowohl hier als auch in Grünstadt jeweils zwei volle Kirchenmusikstellen erhalten geblieben seien. Dies muss man auch im Lichte dessen betrachten, dass seit 2011 im Kirchenbezirk vier Pfarrerstellen auf aktuell 20 gestrichen wurden. Die bilden zusammen mit je drei Gemeindepädagogen und drei hauptberuflichen Frauen im Mehrgenerationenhaus Trift sowie drei Sekretärinnen im Haus der Kirche den aktuellen Personalstand von Kirchenbezirk und Kirchengemeinde, denen Hoffmann in Doppelfunktion vorstand. Ihren Leuten nicht nur die Arbeitsplätze zu erhalten, sondern sie auch tarifgerecht zu entlohnen, war ein Hauptaugenmerk der Managerin, als die sich Hoffmann als Dekanin primär empfand. Also versuchte sie an Sachkosten zu sparen (weshalb sie früh die Möglichkeiten von IT erkannte). Als sie 2004 antrat, übernahm sie einen defizitären Haushalt – jetzt sei er ausgeglichen. Und dies trotz eines anspruchsvollen Gebäudemanagements mit allein zwei Dutzend Gotteshäusern, das nach wie vor zum Großteil auf Spenden angewiesen ist. Oder auf Ideen und Lösungen, wie man sie heute gern innovativ und intelligent nennt. Ulla Hoffmann war nie bequem, und sie ist auch nie den bequemen Weg gegangen. Sie hat immer nach der besten Lösung gesucht, von der wiederum sie durchaus ihre eigene Vorstellung hatte. Überzeugungsarbeit war eine ihrer größten Stärken im Amt. Und zusammen mit gegenseitigem Vertrauen und einem lösungsorientierten Vorgehen gewann sie entscheidende Mitstreiter an ihrer Seite – stellvertretend nennt sie Reinhard Steiniger, den früheren Ortsvorsteher in Seebach, den früheren Beigeordneten Theo Hoffmann („wir waren ein Dream-Team“), nicht zuletzt Reinhart Zobel und das aktuelle Presbyterteam. Einmal so ganz anders dachte Hoffmann etwa beim Haus der Diakonie hinter der Dürkheimer Schlosskirche, das vor gut zehn Jahren vor der Alternative Abriss oder Neubau stand. „Die han gedacht, ich spinn ...“, sagt sie, als sie damals im Presbyterium mit der Idee ankam, mit dem Landeskirchenrat eine Mietvorauszahlung von einer Million Euro auszuhandeln und die Diakonie dafür 30 Jahre lang mietfrei im Gebäude logieren zu lassen. Genau so wurde der Deal beschlossen. Beim Neubau 2006/2007 fand man so nebenbei die Grundmauern der ältesten Dürkheimer Kirche von 946, ein Meilenstein für die Stadthistoriker. Ihr eigenes Ding zog die Dekanin 2008 schließlich durch. Dank 50 Prozent an Spenden, verwandelte sie das Seebacher Hundeklo als Schandfleck an der ehrwürdigen Klosterkirche in ein ebenso schmuckes wie dem Ort würdiges Kolumbarium für Urnenbegräbnisse. Es war das erste Mal, dass sie nahezu angefeindet wurde, die Nachbarschaft stand teilweise kopf und auf den Barrikaden. Heute spricht die Initiatorin von „hoher Akzeptanz“, fast alle „Gegner“ hätten sich einen Platz reservieren lassen. Ein schwieriger Punkt machte Ulla Hoffmann in ihrer Position zuletzt zunehmend zu schaffen, wie sie einräumt: Das gesellschaftlich-wirtschaftliche Element der Kirchenverwaltung mit der Kernaufgabe ihres Berufs, ihrer Berufung ständig in Einklang zu bringen: der Seelsorge. Vielleicht war auch der eigenen Seelsorge geschuldet, dass sie „das Ambivalente“, wie sie es nennt, den mentalen Spagat zwischen einem sakralen Begräbnis am Mittag und einer profanen Sitzung am Abend zuletzt nicht mehr auf sich nahm. „Das kostet Kraft.“ Sie selbst kann sich vorstellen, nach einer Zeit des Abstands und des Auftankens weiter seelsorgerisch und geistlich tätig zu sein. „Ich bleibe ja Pfarrerin ...“ Und sie hat derzeit „drei schwerkranke Menschen zu betreuen. Die kann ich nicht allein lassen ...“

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