Neustadt „Köche beherrschen die Welt“

Neustadt. Strahlende Leichtigkeit hat nur wenig mit dem Alltag eines Kochs gemeinsam, stellt Küchenchef Anthony Bourdain, Amerikaner französischer Herkunft, fest. Er hat seine gastronomischen Einblicke zwar nicht weltweit gewonnen, kann aber dank langjähriger Küchenerfahrung in Etablissements von der Strandkneipe bis zum Edelrestaurant glaubhafte, allgemeingültige Tipps geben.

Er erklärt in „Geständnisse eines Küchenchefs“, wie man mit lediglich ein paar „guten Werkzeugen professionell aussehende, gut schmeckende Gerichte produzieren kann“. In einer biografischen Mischung von „deftig bis süß“ trägt Bourdain Erlebnisse seiner Kochkarriere auf, garniert das Menu mit Skandalen und skurrilem Humor. Wichtige Zutaten sowie Mitstreitertypen liefert er dem Leser, im Preis inbegriffen, zum tieferen Verständnis gleich mit. „Vichyssoise“ (eine kalt cremige Gemüsesuppe), ist das Zauberwort, durch das der kleine Anthony auf der „Queen Mary“ während einer Überfahrt über den großen Teich nach Europa zum ersten Mal erkennt, dass „Essen etwas anderes sein kann, als eine Substanz, die man sich bei Hunger reinstopft“. Weitere kulinarische Erfahrungen in Frankreich folgen. Doch der eigentliche Startschuss für ein Leben in der Gastronomie fällt erst Jahre später und zunächst gar nicht freiwillig. Denn Bourdain braucht Geld und heuert klischeehaft als „Tellerwäscher“ an. In den kommenden Jahren arbeitet er sich zunächst mangels Alternative, dann mit Leidenschaft durch die Niederrungen der Hilfsjobs in kulinarisch verantwortungsvollere Höhen vor. Denn er hat erkannt: „Köche beherrschen die Welt“. Er beobachtet sie bewundernd, die „Straßenräuber, jungen Fürsten, sexuellen Athleten“, deren ausschweifendes Leben zwischen Herdplatte, mörderischen Schichten und Drogenrausch ihn magisch anzuziehen beginnt. Doch sein Weg ist nicht nur lang, sondern auch steinig, gepflastert mit Erniedrigungen und Enttäuschungen, allerdings auch gepaart mit immer tieferen Einblicken, nicht nur ins Kochen, sondern ebenso in betriebswirtschaftliche Strategien hinter den Kulissen. „Ich würde den Top-Grilljob an Land ziehen, das große Geld, den Gig, der mich zu einem der Piratenelite machen würde, einen arschtretenden, kehlenaufschlitzenden Platzhirsch, der den Salatmännern, den Fritteusenköchen und den Vorbereitungsdrohnen in weniger erfolgreichen Restaurants zeigen könnte, was ein Chefkoch ist“, wird zu seiner immer energischer verfolgten Hoffnung. Insbesondere, nachdem er sich noch voller Illusionen an seiner ersten, sehnlichst begehrten, festen Stelle komplett blamiert hat und gedemütigt wird. Sein Credo lautet fortan: „Denen werde ich es zeigen.“ Und er beschließt, sich zur Fortbildung am CIA (Culinary Institute of America in Hyde-Park, New York) einzuschreiben. Von dort weiß er Ruhmreiches und weniger Rühmliches zu berichten. Zitterattacken vor Chefkochinspektionen wechseln sich ab mit Heldentaten am Herd. Bourdain erhält sein Diplom, die Zeit im CIA bringt ihn voran und beschert ihm Einlass in die Welt der Profiköche. Als Caterer mit exotischen Ideen und exorbitanten Preisen kann er sich vor Aufträgen kaum retten. Seine glücklicheren Zeiten beginnen. Er steigt von Stufe zu Stufe in verschiedenen Restaurants und gewährt Einblicke in Küchenhierarchien, traurige Arbeitsverhältnisse, die Kniffe guten Kochens, Personalführungsqualitäten und Hinweise, den Restaurantbesuch unbeschadet zu überstehen. Denn „Lebensmittelverbrechen“ kennt er mehr als genug: „Man träufelte ein bisschen Soße über das Gericht und schickte es zu den ahnungslosen Trotteln hinaus ... Eine Unze Sauce verdeckt eine Vielzahl von Sünden.“ Da die häufigen Arbeitswechsel, verbunden mit vollem Einsatz von Körper und Geist, ihren Tribut fordern, merkt Bourdain allmählich, dass er etwas ändern muss. „Ich war schon viel zu lange die kulinarische Version des fliegenden Holländers“, stellt er entnervt fest. Und es gelingt ihm, ausgelaugt und desillusioniert das Ruder herumzureißen. Er wird endlich, was er sich bereits in kühnen Träumen ausgemalt hat: Chefkoch. Doch wie lange? Denn am Sternekochen hinderte ihn bislang, „dass ich hinter dem Geld her war“. In all seinen Lebensphasen bleibt ihm in jedem Fall eines erhalten: enorme Leidenschaft für gute Gastronomie.

x