Neustadt „Jigs’n’Reels“ aus dem Osten

Neustadt. Es wurde wenig getanzt, dafür aber viel zugehört beim diesjährigen Sommerfest des Kulturvereins „Wespennest“ am Samstag auf dem Außengelände des Wirtshauses „Konfetti“. Das war erstaunlich, denn viele Titel, mit denen „The Aberlours“ – die neben dem Duo „Aylion“, das die Rolle des „support acts“ innehatte – das Programm bestritten, waren eigentlich richtige Tanznummern, die davon leben, dass von Publikumsseite aus „mitgegangen“ wird.

Manche Songs waren von der Band um Frontmann Klaus Adolphi selbst geschrieben, andere wiederum basierten auf teils Jahrhunderte alten Texten und Melodien aus dem keltischen Raum und wurden von dem Quintett aus Halle an der Saale zeitgemäß arrangiert auf die Bühne gebracht. Bis es so weit war, stimmte das aus der bekannten Mittelaltergruppe „Keltenstimme“ hervorgegangene Duo „Aylion“, bestehend aus der Gitarristin und Sängerin Anne Wiktor sowie dem Multiinstrumentalisten Marius Kegler – beide sind in der Südpfalz beheimatet – eindrucksvoll auf das Kommende ein. Ein Höhepunkt ihres Auftritts war eine atmosphärisch dichte Version von Ed Sheerans „I See Fire On The Mountain“ aus dem Soundtrack des Films „Der Hobbit“. „Aylion“ boten eine starke Vorstellung, mussten aber aufgrund des Zeitplans schon so früh auftreten, dass die meisten „Konfetti“-Besucher noch beim Essen abseits des Konzertgeländes saßen. So kamen sie erst zum Auftritt der Hauptgruppe vor die Bühne. „The Aberlours“ starteten ihre Show mit „The Girl I Left“ aus ihrem 2010er Album „The Huns Are Coming“. Adolphis Gesang bei diesem Stück – und wenig später das Flötenspiel von Andreas Fabian in „Cooley’s“ – zeigten deutlich, wer die musikalischen Vorbilder der „Aberlours“ sind: die britische Progressive-Rocklegende „Jethro Tull“ um Mastermind Ian Anderson. Wobei es nicht richtig wäre, „The Aberlours“, zu denen außer den bisher Genannten noch Geiger Val Gregor, Bassist Kai Büttner und Schlagzeuger Matthias Schmietzek gehören, als billige Kopie der Engländer abzustempeln. Dazu sind zum einen ihre Kompositionen viel zu komplex, zum anderen tauchen bei ihnen auch viele „Jigs’n’Reels“, also traditionelle Volkstänze, auf dem Spielplan auf. Und auch textlich verfolgen die Sachsen-Anhalter eine ganz andere Richtung als Anderson/Tull. Oftmals bedient sich die nach einem schottischen Highland-Single-Malt-Whisky benannte Gruppe, was die Lyrik betrifft, bei bekannten Dichtern aus der Vergangenheit, wie beispielsweise Edgar Allan Poe oder Robert Burns. Trotzdem ist eine gewisse stimmliche und spielerische Nähe zu „Jethro Tull“ unverkennbar vorhanden. Genau wie bei „Tull“ Ian Anderson lenkt auch bei deren kleinen deutschen Brüdern ein Mann die Geschicke der Band: Klaus Adolphi. Er ist Gründer der „Aberlours“, die aus seiner zweiten Gruppe „Horch“ hervorgegangen sind, und schreibt die meisten Stücke, singt, spielt Akustik- und E-Gitarre, schlägt bei Bedarf die Bodhrantrommel und weiß auch auf der Cister oder – wie im Stück „The White Maid“– auf dem Mandoloncello zu brillieren. Dieses Lied gibt die überall auf der Welt bekannte Geschichte der weißen Gespensterfrau wider, die nachts durch die Gänge huscht: nur eben die keltische Version davon. Viele Stücke der Ostdeutschen, die schon zweimal im „Konfetti“ – allerdings in Trioformation und zuletzt vor fünf Jahren – aufgetreten sind und jetzt wieder genau 487 Kilometer Anfahrt auf sich genommen haben, um hier erstmals in voller Stärke zu spielen, widmen sich solch unheimlichen Erzählungen. Die Moritat „The Shepherd’s Daughter“ berichtet vom selbstmörderischen Sprung einer Jungfrau in einen tiefen schottischen See, und „Save The Last Drop“ ist ein typischer Reel, der, nach Adolphis Worten, von einer Prostituierten mit einem Holzbein handelt. Die Fans auf dem gut gefüllten Konzertgelände fühlten sich durch solche „Räuberpistolen“ und die doch sehr anspruchsvollen Melodien gut unterhalten, aber, wie bereits eingangs erwähnt: Zum Tanzen und Mitmachen konnten sich nur wenige aufraffen. Das Konzert musste dann, aus Rücksicht auf die Nachbarn, pünktlich um 23 Uhr beendet werden, wodurch das Publikum leider um die gewünschte Zugabe gebracht wurde.

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