Neustadt Helden und Prinzessinnen

Kirrweiler. Das letzte Konzert dieses Sommerhalbjahrs in der barocken Marienkapelle in Kirrweiler, so gut besucht wie alle des Jubiläumsjahres, hatte am Samstag der Vorsitzende des Kulturvereins „Kirrweilerer Kammerkonzerte“ selber übernommen: Mit Matthew Gardner am Cembalo spielte Norbert Gamm fünf der Sonaten Georg Friedrich Händels für Altblockflöte und Cembalo.

Der englische Cembalist Matthew Gardner, der seit 2007 in Deutschland lebt und akzentfrei deutsch spricht, ist ein ausgewiesener Händel-Spezialist. Er ist den umgekehrten Weg wie Händel gegangen, von England nach Deutschland, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt und fungiert zugleich als Vorstandsmitglied der Internationalen Händel-Gesellschaft mit Sitz in Halle, Händels Geburtsort. Man müsse aufpassen, meinte er, über Händel könne er mehrstündige Vorträge halten. Er beschränkte sich dann aber auf die Moderation, würzte jedoch mit manchem Detail quasi aus erster Hand der Forschung. Die Flötensonaten waren quasi kleine „Nebenverdienste“, denn eigentlich verstand sich Händel als Schöpfer großer Opern und Oratorien. Da Händel, wie auch Bach oder Telemann, keine Bedenken hatten, musikalische Ideen, sowohl eigene als auch fremde, mehrfach zu verwerten, steckt in den Flötensonaten vieles, was auch in den Opern oder sonstigen Werken auftaucht. In der Sonate in C-Dur HWV 365, der letzten im Programm dieses Abends, steckt soviel aus seiner Oper „Alessandro“ , dass man nicht feststellen kann, was zuerst entstand, die Oper oder die Sonate. Gamm und Gardner begannen jedoch mit der Sonate in F-Dur HWV 369 in vier Sätzen, beginnend mit einem elegisch-langsamen Grave als erstem Satz. Zwei sehr schnelle Allegro-Sätze, virtuose „Fingerarbeit“ für Norbert Gamm, rahmten dann eine Satz „alla Siciliana“, einen feierlichen, gravitätischen Satz, benannt nach einem Schreittanz. Die Sonate, so erklärte Matthew Gardner, sei nicht datiert, aber anhand des verwendeten Papiers und der Wasserzeichen könne man ihre Entstehung auf 1724 bis 1726 festlegen. Händel lebte da schon in London. Nach etlichen Reisen war er nach Hannover an den Hof des Kurfürsten gekommen, der später englischer König wurde. Händel unterrichtete in London Prinzessin Anne, und man darf sich vorstellen, dass manche Sonate für sie zu Unterrichts- und Unterhaltungszwecken entstand, mit Händel selbst am Cembalo. Die zweite Sonate im Programm war die in d-Moll, HWV 367a. Ungewöhnlich viele, nämlich sieben Sätze hat sie. Der zweite, das Vivace, ist eine Hornpipe-Melodie, ein traditionell englisches lebhaftes Tanzstück, das Händel auch in seiner Wassermusik verwendete. Die nächsten Sätze, ein Furioso, das Adagio und alla Breve, klingen wie Opernarien, mit der Blockflöte statt einer Singstimme. Mit einem Menuett klingt die Sonate aus. Meistens beschränkte sich Händel aber auf die übliche Satzzahl, wie bei der Sonate in g-Moll, HWV 360, vor der Pause und der in a-Moll, HWV 362, nach derselben. Beides waren überwiegend virtuos schnelle Stücke mit festlichem Charakter. Selbst die langsamen Sätze, mit denen beide Stücke beginnen, sind mit der Satzbezeichnung Larghetto schneller als üblich. Auch das Cembalo, eigentlich für den basso continuo und damit bescheidene Begleitung stehend, bekam hier reichlich zu tun. Letzte Sonate des Konzerts war dann die in C-Dur, HWV 365, die so sehr an die genannte Oper erinnert. 1726 wurde sie in London uraufgeführt. Ihr Hauptthema ist der Kampf zweier Prinzessinnen um den Helden Alessandro, und London war voller Klatsch um das Aufeinandertreffen der beiden berühmtesten Sängerinnen ihrer Zeit in diesem Stück, Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni. |adö

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