Neustadt Hört sich so das Nirwana an?

Medea Bindewald spielte im Kelterhaus der Familie Schmidt Stücke berühmter barocker Komponisten, die sich mit dem „Fremden“ und
Medea Bindewald spielte im Kelterhaus der Familie Schmidt Stücke berühmter barocker Komponisten, die sich mit dem »Fremden« und den damals frisch entdeckten »neuen« Welten auseinandersetzen.

«Neustadt-Haardt.» „Fremde Welten“ lautete der Titel des Programms, das die aus Worms stammende, aber in England lebende Cembalo-Virtuosin Medea Bindewald am Samstagabend beim „Mandelringkonzert“ im Anwesen der Familie Schmidt in Haardt vorstellte. Stücke berühmter barocker Komponisten schildern darin die „Fremden“, denn zeitgleich mit den europäischen Entdeckungen beginnt auch die musikalische Auseinandersetzung mit den aus hiesiger Sicht „neuen“ Welten.

Bindewalds Medium ist das Tasteninstrument Cembalo, das sie bereits im achten Lebensjahr für sich entdeckte. Ihr mitgebrachtes Exemplar wurde 2006 von Keith Hill in den USA nach dem Modell des berühmten Cembalobaumeisters Blanchet hergestellt. Erfunden wurde das Cembalo aber vermutlich bereits Ende des 14. Jahrhunderts vom Organisten Hermann Poll in Wien. Besonders das erste Stück von William Byrd lässt denn auch ganz deutlich spätmittelalterliche höfische Tanzsätze durchscheinen. Seine große Zeit hatte das Instrument dann bis ins 18. Jahrhundert hinein. Auch Mozart komponierte viel und gern damit. In seiner Einleitung beschrieb Gastgeber Jörg Sebastian Schmidt kurz, wie seine eigene Reise als Musiker überraschenderweise ebenfalls mit dem Erlernen des Cembalos begann, bevor er Klavier, Geige und Bratsche aufsattelte und die Entwicklung zur Entstehung des berühmten „Mandelring Quartetts“ einsetzte. Dann gehört die Bühne der sympathischen Medea Bindewald, die nach Stationen unter anderem in Freiburg, Karlsruhe und Italien in einem kleinen Ort in der Nähe der englischen Stadt Leicester ein neues Zuhause fand. Zunächst wirken die langgezogenen, hellen Töne, die mit den Tasten gezupft, nicht wie beim Klavier klar und bestimmt gehämmert werden, in der heutigen Musiklandschaft fremd. Besonders die Stücke von François Couperin, der in „Les Chinois“ erstmals die flatterhaften chinesischen Melodien verwendete, sind gewöhnungsbedürftig. Aber bei den langsameren Stücken von Jean-Philippe Rameau schließen schon viele im Publikum die Augen, um ganz in die Musik einzutauchen. Gleich zweimal steht die Begegnung mit den Roma, englisch „Gypsies“, auf dem Programm, und wir erfahren, dass sie auch mit Rameaus „Egyptienne“ gemeint sind, in der damaligen Annahme, die Roma kämen aus Ägypten, nicht aus Indien. Als kleiner Einschub sei hier erwähnt, dass dieser Verwechslung wohl auch die Benennung des Neustadter „Ägyptenpfades“ geschuldet ist. Ebenfalls nicht ganz authentisch erscheint Rameaus Musik zu „Den Wilden“, „Les Sauvages“, die den Tänzen nordamerikanischer Ureinwohner nachempfunden sein soll und zwar wunderschöne Klänge bietet, aber keinerlei Ähnlichkeit mit den tatsächlichen, rituellen Trommeltänzen aufweist. Die virtuos dargebrachte Musik französischer Komponisten steigert sich in „La Marche des Scythes“, einer Parodie von Joseph-Nicolas-Pancrace Royer auf die damalige italienische Musik, derart furios, dass man sich wundert, mit wie vielen Händen und Fingern die Wahl-Engländerin da eigentlich spielt. Nach der Pause folgt sehr modern das erst im vergangenen Jahr vom jungen englischen Komponisten Patrick John Jones eigens für Bindewald und ihr Cembalo umgeschriebene Stück „Santoor Suite“. Hier entführt die Musikerin einerseits in die Heimat der Santoor, des trapezförmigen Seiteninstruments Irans, Pakistans und Kaschmirs, andererseits verbinden sich dabei düstere und dramatische Momente derart phänomenal, dass man sich zu der Frage hinreißen lässt: „Hört sich so das Nirwana an?“ Zum Abschluss dann die berühmte Sonate in A-Dur KV 331 von Wolfgang Amadeus Mozart, die er wohl bereits in seiner Pariser Zeit auch für das Cembalo komponierte. Mozart, hier mittels seiner überzeugenden Interpretin Bindewald, vermag durch seine fröhlich verspielten Klangfolgen die Himmelstore zu einer Musik aufzustoßen, die scheinbar nur dort entstanden sein kann. Lang anhaltender Applaus führte zu einer Zugabe, einem Stück von Johann Sebastian Bach, das den gelungenen Abend perfekt ausklingen ließ. Eine Frage bleibt allerdings offen, nämlich, ob denn während dieses Streifzuges durch die Jahrhunderte und die Kulturen die „fremden“ Welten nicht längst zu einer einzigen Welt verschmolzen sind, ob nicht die unterschiedlichsten kreativen Elemente sich heute längst verbunden haben, auch wenn es natürlich immer wieder Neues zu entdecken gibt. Auf jeden Fall aber endet diese musikalische Reise mit der virtuosen, gefühlvollen Medea Bindewald bereichernd und erfüllend und lässt auf erneute Auftritte in der Region hoffen.

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