Neustadt Geklapper rund ums Großdorf

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Zwei etwa acht Tage alte Storchenjunge hat Johannes Theisohn im Nest auf den Königswiesen gesichtet, berichtet Rudi Otterstätter, BUND-Ortsgruppen-Vorsitzender und Nestbetreuer, auf Anfrage. Das Storchenpaar, das vor drei Jahren schon einmal vier Junge hatte, war ihm in diesem Jahr erstmals in der ersten Märzhälfte über den Weg gelaufen. Auch Nistbaum- und Partnerwechsel konnten die Freude an den schönen Futtergründen nicht dämpfen: Der ursprüngliche Nistplatz, eine morsche Pappel, war vom Wind umgeworfen und durch einen Mast ersetzt worden; das erste Storchenweibchen lebt nicht mehr. „Wir sind wieder Storchenregion“, freut sich Otterstätter. Gemeinsam mit Ingrid Dorner, die NABU-Mitglied und Beringerin der Vogelwarte „Radolfzell“ ist, hat er eine Bestandsaufnahme gemacht. Zwei Dach-Horste gibt es: Das Nest auf dem Scheunendach bei der Gaststätte „Zur Aumühle“ ist bereits zum vierten Mal belegt – und dort gibt es laut Theisohn Nachwuchs: zwei Storchenjunge. Neu ist das Dachnest beim Gestüt „Von Erden“ in der Wehlache. Vier weitere potenzielle Storchenkinderstuben sitzen auf für diesen Zweck angebrachten Masten: Drei davon wurden vom BUND errichtet. Der älteste Brutplatz von 2007 liegt im Biotop „Lochbusch-Königswiesen“, Am Hirtenweg. Ein zweiter befindet sich im Freigehege des Vogelparks, ein dritter in der Unteren Mittelgewann, in den Waldalmen (am Bruchhof links). Gerald Schön, der an der „Ganerb“ direkt gegenüber vom Holiday Park wohnt, darf ebenfalls auf seinem südlich des Wohnhauses aufgestellten Mast auf Storchennachwuchs hoffen. Der siebte Horst, ein Mast auf dem Gelände des „Zentrums Obermühle“ (Im Streitert), ist allerdings verwaist geblieben. Damit die lieben Kleinen groß und stark werden, brauchen sie Großinsekten wie Heuschrecken, bekommen aber später auch Mäuse, Frösche und Ringelnattern – eben alles, was die Eltern finden können, um die gierigen Schlunde zu stopfen. Störche können bis zu sechs Eier legen. Männchen und Weibchen brüten abwechselnd 33 Tage. Die jungen Störche bleiben zwei Monate im Horst. Die Störche, die 35 Jahre alt werden können, leben in der Regel in „Einehe“. Der Zugvogel mit den langen, roten Beinen und dem klappernden, roten Schnabel überwintert in Afrika. „Pfälzer Störche fliegen bevorzugt über Spanien und die Straße von Gibraltar“, weiß der BUND-Vorsitzende. Eine Reihe von Störchen verweilt auch über Winter in Deutschland dort, wo sie gefüttert werden, wie im Luisenpark in Mannheim, im Vogelpark Schifferstadt und im Zoo Landau. Welche Route die Störche nehmen, könne immer dann nachvollzogen werden, wenn die in der Regel beringten Tiere auf ihrer Reise Station machen und Vogelfreunde in anderen Ländern das registrieren, oder wenn ein toter Vogel aufgefunden werde. Otterstätter erinnert sich auch an andere Zeiten, als 1968 plötzlich kein Adebar mehr sich in Haßloch, dem einstigen „Storchendorf“, niederlassen wollte. Die älteren Leser kennen vielleicht noch die drei Nester: Eines hatten die damals lebenden Störche auf den Schornstein der Ziegelei „Jörg“ (Anilin-/Ecke Bismarckstraße) gebaut, ein zweites auf den Schornstein der Schuhfabrik „Raquet-Mischon“ (Kühngasse). Ein drittes saß auf einem Haus in der Pfarrgasse (Blumenverkäufer). Der letzte Storch hatte Haßloch verlassen, als der letzte Schornstein bei Raquet abgerissen worden war. „Nicht nur die Schornsteine als Nistgelegenheiten waren weggefallen, auch die kleinbäuerlichen Strukturen im Ort – und damit die Futtergründe des Storchs – hatten sich aufgelöst“, so Otterstätter. Der 82-Jährige beschreibt ein Alt-Haßloch, in dem im „Handschuhpädel“ zwischen Ohlig- und Füllergasse noch Feuchtwiesen wuchsen und vom Wasser des Füllerbachs überschwemmt wurden. Der Füllerbach sei dann in der Langgasse in den Dorfbach gemündet, der sich am Saal Löwer und dem Fotografen Gustav Flott vorbei dorfauswärts bewegt habe, weiß Otterstätter. Gegenüber vom Jahnplatz, wo jetzt Raiffeisen, Supermarkt und das Seniorenzentrum „Rebental“ stehen, hatte ein Anwohner namens Eisenmeier Wiesen unterhalten, die aus einem Bach am Alten Weg gespeist worden seien. Alles sei heute zugebaut, meint Otterstätter. Für Menschen, die nur ein kanalisiertes Haßloch kennen, sei es schwierig, sich diese Zeit vorzustellen. „Als die BUND-Ortsgruppe 1990 gegründet wurde, war ihr wichtigstes Ziel, Ablaichgewässer und Feuchtwiesen im Grünlandgebiet Lochbusch-Königswiesen zu schaffen – in der Hoffnung, den Storch wieder anzusiedeln“, so Otterstätter. Dazu habe man Flächen mit Geldern von der Stiftung Natur- und Umwelt vom Land erworben. 2000 sei dann auf einer Pappel ein Storchennest installiert worden. Erst 2007 wurde es bezogen – aber das hätte schon früher vonstatten gehen können, wenn der Geinsheimer Storch das „erlaubt“ hätte. Erst als dieser einem Unfall zum Opfer gefallen war, so Otterstätter, sei der Weg für die Haßlocher Störche frei gewesen. Auch in unmittelbarer Nachbarschaft ist die Ansiedelung von „Meister Adebar“ erfolgreich verlaufen. „Hochzeit feiern“ werden Storchenpaare unter anderem in Geinsheim (lesen sie dazu Lokalseite 3), in Lachen-Speyerdorf und Böhl-Iggelheim.

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