Lambrecht „Freiheit ist nicht verhandelbar“ Kabarettist Lars Reichow im Gemeinschaftshaus

Lars Reichow griff durchaus auch sehr ernste Themen auf.
Lars Reichow griff durchaus auch sehr ernste Themen auf.

Von Weltpolitik bis Rollenverteilung: Mit seinem Programm „Wunschkonzert – Best of Klaviator“ machte Lars Reichow am Samstag im Gemeinschaftshaus in Lambrecht gleich mehrere Fässer auf.

Zeiten wie diese bescheren Kabarettisten üppige Themen-Ernte, und so wechselte der gebürtige Mainzer mit seinem „Best of“-Programm nicht nur ständig zwischen Stehpult, Keyboard und Flügel, sondern auch inhaltlich zwischen den Genres. Anekdoten im Plauderton, scharfsinnige Analysen und emotionale Songtexte wechselten sich ab. Vor allem musikalisch gab es einige Höhepunkte. Zum Einstand hatte Reichow liebe Worte fürs Publikum: geimpft, geboostert oder genesen, die „Unbreakable“ säßen hier. Die 3G-Regel auf Pfälzisch? „gegesse- getrunke- geschloofe“. Und ein Lied über die schönen Frauen der Pfalz rundete das Ganze ab.

Ein Abend mit guten Nachrichten

Einen „vergnüglichen Abend mit guten Nachrichten“, hatte der 58-jährige gebürtige Mainzer im Sinn und startete gleich mit einer frohen Botschaft: Mainz, hochverschuldet, habe dank der Gewerbesteuer von Biontech 500 Jahre nach dem Buchdruck den „Impfdruck“ erfunden und könne endlich Wiesbaden als Vorort aufkaufen. Mit „Habemus Amplion“ zog die Bundespolitik ins Programm: Nach einer Bilanz der Ampelkoalition, Lauterbach als „Minister mit Talkshow-Direktmandat“ und ein Kanzler, der „die Raute im Gesicht“ hat mündet Lars Reichow in einen „Deutschland-Blues“ mit der Frage „wo ist er hin, der deutsche Mut?“

Ob klassisches Liebeslied mit pointiertem Schluss („Nie wieder ohne dich sein“) oder abseitiges Liebesmärchen über die Routine in Beziehungen, Lars Reichow verstand sich auch bestens aufs Private und blieb sogar beim sonntags Rasen mähenden Nachbarn und der vermeintlichen Rollenverteilung in Technikfragen versöhnlich. Denn der Familienvater weiß schließlich, wie das Sozialgefüge im „Team M&M“ („Merker und Macher“) daheim funktioniert. Bestens beklatscht wurde Reichows Hommage auf das High-Tech-Handy: der „App-Song“, mehrsprachig und multi-dialektal vorgetragen im Zungenbrecher-Modus. Souverän klimperte sich der Künstler durch europäische Sprach-Klangwelten, zitierte finnischen Konsonanten-Kattarrh und Moskowiter Suizid-Chansons, ehe er seine sprachartistische Parodie des französischen Kult-Hits „Je t’aime“ zelebrierte.

Ausflug in göttliche Sphären

Derart erheitert ging es in die Pause und danach direkt in göttliche Sphären. Doch es blieb nicht bei der Ballade über gute Taten („Hol mich in den Himmel“): Reichow fand klare Worte zu Frauenverachtung und Missbrauch: „Wir gendern uns einen Wolf und in der katholischen Kirche schmieren die Frauen immer noch die Schrippen“, weil der „Reformimpfstoff Maria 2.0“ seit 2000 Jahren blockiert werde. Stichwort Missbrauch: Statt den „Opfern hinterher zu beten, solle man vorher die Täter in der Hölle braten lassen“.

Betroffenheit zum Ausklang

Die Royals in Großbritannien und der Zustand der EU waren weitere Themen auf Reichows Kabarett-Agenda. Hier bezog der Künstler eindeutig Position gegen Nationalismus, Rassismus und für weltoffenes Denken und Handeln. Seinen letzten Wunsch des Abends erfüllte er sich mit der Aufnahme des Publikumsapplauses. Dafür legten die Lambrechter phonstark noch eine Schippe drauf. Der Klaviator beendete sein Programm mit einem eindringlichen Appell zur Situation in der Ukraine. Seine Gedanken über schweres Kriegsgerät, Nordstream 2 und den „Scheiß-Profit“ hat Reichow in den Song „Ist es ein Sieg?“ gegossen und mit säuselnden Keyboard-Klängen untermalt. Die Kanzlerin und das ganze Land habe „16 Jahre Walzer getanzt auf der Stelle“. Und jetzt? „Dieser Krieg zerreißt uns das Herz“, bilanziert Reichow. Und weiter: „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, Freiheit ist nicht verhandelbar“. Betretenes Ende eines vielfältigen Programms.

Still verlassen die Zuhörer den Saal.

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