Neustadt Fluffig und doch mit Fleisch

Solist Juri Schmahl ließ es in Telemans Konzert für Oboe, Streichorchester und Continuo „richtig krachen“.
Solist Juri Schmahl ließ es in Telemans Konzert für Oboe, Streichorchester und Continuo »richtig krachen«.

«Neustadt». Alle Jahre wieder: Auch in diesem Jahr am Ostermontag präsentierte sich das Kurpfälzische Kammerorchester, diesmal unter der umsichtigen Leitung von Christoph-Mathias Mueller, im Festsaal des Hambacher Schlosses. Mit den zwei hervorragenden Solisten Fabian Wettstein, dem Konzertmeister des KKO an der Violine, und Juri Schmahl an der Oboe tat das KKO das, was es am besten kann: Sein Publikum aufs Beste unterhalten.

Den wieder einmal erstaunlich prächtigen Klang des kleinen Orchesters wusste das Publikum zu schätzen und bekam sowohl vom Orchester als auch vom Oboisten Zugaben. Die große Amplitude ist Muellers Sache nicht. Sein Art, Musik vom Pult aus zu gestalten, ist eher die zurückhaltende und gemessene. Das sieht man schon am Stil seines Dirigats: Er hält zusammen, statt die Zügel schießen zu lassen, er lässt sein Orchester kaum von der Kette. Bei herausfahrender Musik der Hochromantik würde man das eher als Mangel empfinden, für Barockmusik und den darauf folgenden „Empfindsamen Stil“ ist es jedoch eine Tugend. Auch zeigte sich, mal wieder, die Zusammenstellung des Programms als glückliche Idee. Carl Philipp Emanuel Bachs Sinfonie Nr. 2 (Wq 182), die den Kopfsatz sofort quirlig und tänzerisch beginnt, war quasi die Ouvertüre zu den beiden musikalischen Schwergewichten in der Mitte des Programms. Ein furioser Auftakt, der, wie stets beim KKO, die Brückenfunktion der Kompositionen dieser Zeit verdeutlichte. So zeigt die Musik des „Empfindsamen Stils“ deutlich ihre Herkunft und verweist doch ganz klar auf die heraufscheinende Klassik. Die Sinfonie steht mit einem Bein in der barocken Tradition des Basso continuo und mit dem anderen schon in der Tradition der Haydn-Sinfonien. Auch die durchaus saftige Dynamik verdeutlichte die zukunftsweisende Qualität der Komposition. Immer wieder schön, dass das KKO sich verstärkt dieser etwas vernachlässigten Epoche widmet. Johann Sebastian Bachs Doppelkonzert BWV 1060 ist vom Meister nicht klar für zwei Soloinstrumente ausgewiesen worden. Häufig wird es als Konzert für zwei Cembali genannt, auch diese Widmung ist durchaus fraglich. Meist hört man es arrangiert für Violine und Oboe, wohl, weil es mit diesen Instrumenten einfach bezaubernd klingt. So auch im Hambacher Schloss: Die beiden Solisten zeigten sich den technischen Anforderungen mehr als gewachsen und ließen dieses Schlachtross der Konzertliteratur prächtig erglänzen. Das KKO begleitete wie immer uneitel, beinahe selbstlos und bereitete den samtweichen Teppich für die beiden Protagonisten. Einziger Wermutstropfen war, dass die Akustik des Festsaals klanglich der Oboe wesentlich besser bekam als der Violine. Man musste bisweilen genau hinhören, um beiden Stimmen folgen zu können. Mueller dirigierte zügig, aber nicht gehetzt, und beförderte so die entspannte Darbietung. Was häufig angestrengt klingt, geriet hier locker und „fluffig“. Ein Hochgenuss. In Georg Philipp Telemanns Konzert für Oboe, Streichorchester und Continuo (TWV 51:e1) ließ es Juri Schmahl noch einmal richtig krachen. Diese Musik ist auf die Solostimme zugeschnitten und ein Prachtstück für den Solisten. So spielte Schmahl es auch: virtuos, mit silbrigen Höhen und glitzernden Läufen. Orchester und Solist passten, nicht nur klanglich, hervorragend zueinander. Das KKO begleitete geschmeidig und ließ dem Solisten stets den verdienten Vortritt. Das Publikum zeigte sich beeindruckt und bekam eine Zugabe: das wunderbare „Syrinx“ von Claude Debussy, das Schmahl übrigens nicht von der Bühne, sondern im Publikum spielte. Es folgte Felix Mendelssohns Streichersinfonie Nr. 12 in g-Moll. Alle Streichersinfonien, die zwölfte ist seine letzte, obwohl er in Briefen seine erste Sinfonie als 13. Streichersinfonie bezeichnete, sind die Werke eines noch nicht Jugendlichen. Diese Kompositionen sind also quasi „Fingerübungen“ eines genialen, kindlichen Komponisten. So wirkt die Fuge des Kopfsatzes der 12. Streichersinfonie durchaus etwas konstruiert und wird manchmal als „akademisch“ abqualifiziert. Nun ja, ein merkwürdiges Urteil, befinden sich diese Stücke schon auf einem Niveau, das andere nie erreichten. Im zweiten Satz, Andante, spielte sich das KKO von dem etwas verkopften Duktus frei und gestaltete mit stimmigen Phrasierungen, klare Stimmführung und Esprit eine mitreißende Musik, die so gar nicht wie das Werk eines Kindes wirkte. Im Schlusssatz, Allegro molto, tauchte dann ein deutlich „fleischigeres“ Fugato auf. Dieser Satz schien sowohl vom Tempo als auch von der Dynamik her den Faden des ersten Satzes aus Carl Philipp Emanuel Bachs Sinfonie aus dem ersten Teil des Konzerts wieder aufzunehmen. So schloss sich die Klammer um ein Konzert, das im allerbesten Sinne unterhielt. Mueller und das KKO gaben nach reichlich Applaus eine Zugabe: das Scherzo aus Mendelssohns neunter Streichersinfonie.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x