Neustadt Fest „Viele Kulturen, eine Stadt“
Ginge es auf der ganzen Welt immer und überall so friedlich und tolerant zu wie am Sonntag auf dem Neustadter Marktplatz, bräuchte wohl niemand in Angst vor Krieg, Unterdrückung und Rassismus zu leben. Menschen verschiedener Herkunft und Hautfarbe feierten gemeinsam das vom Verein „Neustadt gegen Fremdenhass“ organisierte Fest „Viele Kulturen, eine Stadt“, lernten sich bei dem fröhlichen Zusammensein gegenseitig ein Stückchen mehr kennen und respektieren.
Auf der Programmliste der Veranstalter standen dafür Musik, Gesprächsrunden sowie Essens- und Getränkeangebote aus allen Kulturkreisen. Los ging es, nach einem ökumenischen Gottesdienst der Stiftskirchengemeinde und der offiziellen Begrüßung durch den „Neustadt gegen Fremdenhass“-Vorstand, mit einem Konzert der 34-köpfigen „KKG-Bigband“, die sich, nachdem sie sich 2023 unter anderem mit Klarinetten-, Querflöten- und Tubaspielern verstärkt hat, inzwischen „Concert Band“ nennt. Orchesterleiter Pascale Koppenhöfer hatte die jungen Musiker und Musikerinnen glänzend eingestellt und mit ihnen ein Repertoire einstudiert, das unter anderem Titel wie „Smooth Operator“ von Sade oder Herbie Hancocks „Cantaloupe Island“ enthielt.
Offenes Wohnzimmer
Zu einem Höhepunkt wurde der Amy Winehouse-Song „Back In Black“, zu dem die 18-jährige Sängerin Lavinia Abstein mit großer Stimme glänzen konnte. Die Nebenbühne hatte inzwischen Moderatorin Paulina Sommer in eine Art offenes Wohnzimmer verwandelt. Sie führte hier Gespräche mit „Tabea“ vom Frauenzentrum Neustadt, das Frauen hilft, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Aber auch bei Problemlagen in allen gesellschaftlichen Schichten unterstützt die Initiative Menschen weiblichen Geschlechts durch Rat und Tat. Mit „Yeni“, einer in Neustadt lebenden Spanierin, unterhielt sich Sommer über ihre persönlichen Erfahrungen mit Rassismus, und „Quinn“ erzählte später über ihre Erlebnisse als nichtbinäre Person in der Stadt. Das elsässische Trio „Rose Babylone“ musste seinen Auftritt zu seinem großen Bedauern leider um eine halbe Stunde verschieben. Die Band aus Mulhouse war im Bereich Baden-Baden im Stau steckengeblieben, was zur Folge hatte, dass sie ihren Soundcheck quasi während des Konzerts durchführen musste. Dennoch gelang es Sängerin und Pianistin Marie Gelis, Sänger und Gitarrist Stéphane Jordane und Bandonéon-Spieler Michel Ludwiczak eine gelungene Show aufs Parkett zu legen und diejenigen Festbesucher, die sich getrauten ganz nach vorne vor die Bühne zu kommen, zum Tanzen zu animieren.
Mit ihrem Mix aus Nouvelle Chanson Française und einer Prise Tango, sowie Liedern wie „Le Vélo Pour Dame“, „Libido Nocturne“ oder dem gut gelaunten „Les filles ça sent bon“ sind die Franzosen, die schon öfter in Neustadt und Umgebung aufgetreten sind, stets Garanten für beste Stimmung. Zur Überraschung des Tages wurde aber der Gig von Rapper „Chaoze One“ und seiner Band, in der mit Schlagzeuger Tim Kosack und Bassist Benjamin Melzer noch zwei weitere Neustadter mitwirken. Zwar verarbeitet der aus Neustadt stammende Jan Hertel, wie „Chaoze One“ bürgerlich heißt, nach wie vor HipHop-Einflüsse in seinen Songs, lässt aber auch verstärkt Inspiration aus Rock und Pop zu. Seine Texte haben Substanz und verlangen Aufmerksamkeit.
Welt und Wunder
In der Nummer „Memento Mori/Die Welt brennt“, mit der er auf dem Marktplatz eröffnete, heißt es beispielsweise: „Das Leben hat mich noch nicht umgebracht. Eben dreh´ ich noch mit Kettcar meine Runden, tja. Eben gerade war die Welt doch noch so voll Magie. Wieso weiß ich jetzt schon, dass es keine Wunder gibt? Eben gerade nix gewusst von Folter oder Krieg. Nix gewusst von wir, nix gewusst von die. Nicht gewusst dass wir uns nicht vertrauen (Gib dem Anarcho eine Kippe aus). Nix gewusst von dem Mehrwert eines Menschenlebens, wo Versehrtheit deiner Würde ein paar Grenzen regeln“. Nicht nur von seinen vorwiegend jungen Fans, sondern auch von älteren Zuhörern, erhielt der heute in Mannheim lebende „Chaoze One“ dafür viel Beifall. Als letzte Musikgruppe des Tages enterten nach ihm die Kölner „Clerks“ die Bühne und verwandelten den Marktplatz innerhalb kürzester Zeit in eine heiße Partymeile.
Die aus sieben Mitgliedern bestehende Kapelle will mit ihren Liedern keine philosophische Message verbreiten oder politische Statements abgeben, sondern nur selber Spaß haben, und mit Stücken wie „Booty Shaker“, „All Be Good“ oder sogar einer Coverversion von Van Morrisson´s „Brown Eyed Girl“ nichts weiter als dem Publikum Freude bereiten. Ihre Show lässt sich unter der Überschrift „Reggae, Ska und Rocksteady Music“ zusammenfassen, womit eigentlich schon alles gesagt wäre. Wer trotzdem mehr wissen möchte, wird von dem Septett mit einem ihrer Erfolgstitel abgewiesen: „Shut Up’n’Dance“.