Neustadt Faszination Urzeitfeuer

Dieter Uhl mit einer Baumscheibe eines im Park der Villa Böhm gefällten Mammutbaums.
Dieter Uhl mit einer Baumscheibe eines im Park der Villa Böhm gefällten Mammutbaums.

«Neustadt.» Die Feuer der Urzeit sind es, die von Beginn an sein wissenschaftliches Interesse entzündet haben: Dieter Uhl, Professor an der Universität Tübingen und seit 2013 Abteilungsleiter im Bereich „Paläontologie und Historische Geologie“ am Senckenberg-Forschungszentrum in Frankfurt. Am Mittwoch, 10. Oktober, 16 Uhr, gewährt der Wissenschaftler im Stadtmuseum in der Villa Böhm unter der Überschrift „Feuer in der Erdgeschichte – Die Vergangenheit als Schlüssel für die Zukunft“ Einblicke in sein Forschungsfeld. Dieter Uhl wohnt mit Ehefrau und drei Kindern in unmittelbarer Nachbarschaft der Villa Böhm. Die Nachricht von der Fällung eines rund 100 Jahre alten, unrettbar kranken Mammutbaums im Park vor wenigen Wochen weckte spontan sein Interesse. „Bäume sind Geschichtenerzähler, einzigartige Chronisten“, schwärmt er. Das untermauert er hübsch anschaulich anhand einer der nach der Fällung zur Verfügung gestellten Baumscheiben. Die Ringe funktionieren wie ein Kalender für den Lesekundigen – Weltkriegsbeginn, Kuba-Krise, Mauerfall; ganz egal: Uhl legt den Finger punktgenau auf den entsprechenden Ring. Bäume, überhaupt jegliche Vegetation, spielen im Forschungsbereich des Wissenschaftlers eine zentrale Rolle. Die aktuellen Erfahrungen des ungewöhnlich heißen Sommers haben das Phänomen Feuer unwillkürlich in den Fokus gerückt. „Es gab in diesem Jahr hierzulande Waldbrände, wie wir sie sonst nur aus entfernteren Regionen der Erde kennen“, sagt Uhl. „Und das sich fortschreitend ändernde Klima, damit einhergehend die Erwärmung der Erde, werden uns künftig immer häufiger mit solchen Extremsituationen konfrontieren. Dazu zählen aufgrund von Dürre und Hitze selbst auslösende Brände, die dann zu Katastrophen werden, wenn sie menschliche Ansiedlungen tangieren.“ Welche Auswirkungen haben solche Brände auf die Vegetation? Wie sollte reagiert werden? Dazu liefern die erdgeschichtliche Altertumsforschung und deren relativ junger Zweig, die Feuerforschung, zielführende Impulse. Dass die Ausbeutung von Bodenschätzen im industriellen Zeitalter Vorgänge beschleunigt hat, steht für den Wissenschaftler außer Frage. „Wenn das Arktiseis weiter schmilzt, wird Grönland sich, befreit von der Eislast, anheben. Gleichzeitig werden sich weiter südlich die Meeresspiegel heben und manches Südseeatoll sang- und klanglos verschlucken.“ Andererseits, so Uhl weiter, habe nicht erst der moderne Mensch in klimatische Gegebenheiten eingegriffen. Und nennt als Beispiel die feuergestützten Jagdmethoden der australischen Aborigines. Auch beschreibt er das Klima der Erde als Kontinuum, das sich – abhängig von mancherlei Faktoren – in langen Periodika stetig wandle. Und sich nach großen Brandkatastrophen, lange vor der Existenz menschlichen Lebens, wie Phönix aus der Asche erhoben habe. Eine elementare Erkenntnis ist die, dass sich da, wo Waldbrände sich sozusagen austoben können, die Gefahr von Nachfolgebränden minimiert. Diese Erkenntnis hat laut Uhl in den USA bereits in den 1980er-Jahren dazu geführt, dass großflächige Brände nicht mehr gelöscht werden, solange Menschen nicht gefährdet sind. Sondern dem Wald nach restlosem Niederbrand ein Chance zu natürlicher Regeneration gegeben wird. Auch die Erforschung der Pyrophyten ist ein interessanter Aspekt für die Vegetationsanreicherung der Zukunft. Damit bezeichnet man Pflanzenarten – vor allem in Afrika verbreitet -, deren Überleben regelrecht abhängig ist vom Feuer. Sie öffnen ihre Samenkapseln nur unter Hitze-Einfluss. Und überleben das Feuer. Dass Brände seit 400 Millionen Jahren integraler Bestandteil des Ökosystems unseres Planeten sind und das Wissen darum uns Instrumente für zukünftiges sinnvolles Agieren an die Hand gibt, dafür hat Uhl unzählige Beispiele parat – so auch am kommenden Mittwoch ab 16 Uhr in der Villa Böhm.

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