Neustadt „Es geht um die Art und Weise des Denkens“

Neustadt. Als die jetzigen Abiturienten vor fast 13 Jahren eingeschult wurden, hatte Johannes Rau aus Königsbach gerade am Käthe-Kollwitz-Gymnasium sein Abitur gemacht. Inzwischen ist er Juniorprofessor für Mathematik an der Universität Saarbrücken. An diesem Freitag wird er an seiner ehemaligen Schule zu Schülern der Mathematik-Leistungskurse sprechen und sie über seinen Werdegang, Inhalte des Mathematik-Studiums und spätere Tätigkeitsfelder für Mathematiker informieren. Wir haben uns schon vorab mit ihm unterhalten.

Herr Rau, in Zeiten, in denen sich Prominente wie Nicht-Prominente damit rühmen, in Mathe immer elendig schlecht gewesen zu sein, sind Sie Mathematiker. Wo hat die Mathematik denn ihren besonderen Charme?

Was mir schon immer Spaß gemacht hat an der Mathematik, ist das Zusammenspiel von logischem Denken auf der einen Seite und Kreativität, Ideen, die man braucht, um Modelle zu entwickeln, auf der anderen Seite. Wie wird man denn Juniorprofessor, und wie sind Sie es geworden? Ganz einfach, indem man sich auf ausgeschriebene Stellen bewirbt. Bei mir war das so: Nach Studium und Promotion in Kaiserslautern war ich zunächst ein Jahr lang an der Uni Berkeley, Kalifornien. Über den akademischen Austauschdienst hatte ich dort eine Assistentenstelle bekommen. Danach war ich kurz wieder in Kaiserslautern, anschließend an der Uni Genf und habe mich von dort aus mit allem, was ich bis dahin geleistet hatte, für die Junior-Professur in Saarbrücken beworben und bin genommen worden. Das ist das übliche Verfahren. Ihr Forschungsthema, die „Tropische Geometrie“ hört sich ziemlich spektakulär an. Können Sie mit einfachen Worten beschreiben, was sich dahinter verbirgt? In der Tat gibt es diesen Begriff erst seit etwa 15 Jahren. Also so spontan ... ich hätte da vielleicht einen etwas sehr populärwissenschaftlichen Vergleich aus der Welt der Dinosaurier, aber na ja... Also, tropische Geometrie lässt sich mit der Erforschung der Dinosaurier vergleichen. Nur anhand ihrer versteinerten Skelette können die Paläontologen heute ein anschauliches Bild geben, wie diese Tiere gelebt und ausgesehen haben. Analog dazu versucht man in der tropischen Geometrie komplizierte geometrische Objekte, zum Beispiel gekrümmte Flächen im Raum, nur anhand ihrer „Skelette“ zu erforschen. Dadurch lassen sich viele geometrische Probleme drastisch vereinfachen. Anwendung findet dies zum Beispiel in der Optimierung oder der Physik. Das hört sich so an, als müsse man dafür ein ziemlich guter Mathematiker und ein begeisterter Forscher sein. Waren Forschung und Lehre denn schon als Schüler ihr Berufsziel? Überhaupt nicht. Ich habe nie große Pläne gemacht. Ich habe angefangen, Mathematik zu studieren und Physik als Nebenfach. Im Grundstudium hatte ich dann irgendwann das Gefühl, dass die Mathematiker einer Sache eher auf den Grund gehen, als die Physiker. Die akzeptieren Sachen auch schon mal, wenn sie denn gut funktionieren. Da habe ich mich für die Mathematik entschieden. Und dann gab es immer wieder interessante Angebote, die ich angenommen habe, so bin ich hier gelandet. Das hat sich eher zufällig entwickelt. Und haben Sie jetzt Pläne, was Sie nach Ablauf der Juniorprofessur, also etwa in drei Jahren, machen wollen? Ich möchte gerne in der akademischen Welt, also bei Forschung und Lehre bleiben. Die Forschung alleine führt nicht jeden Tag zu Erfolgserlebnissen, da passiert oft eine ganze Weile gar nichts. Erfolgserlebnisse und positives Feedback sind aber auch sehr schön und motivierend, und das bekommt man über die Arbeit mit den Studenten. Welche Fähigkeiten muss ein Abiturient denn mitbringen, um ein erfolgreicher Student und letztendlich Mathematiker zu werden? Man muss vor allen Dingen nicht nur „Rezepte nachkochen“ können, man muss in der Lage sein, selbst „Kochrezepte“ zu entwerfen. Man sollte schon Spaß haben an Themen, die über das bloße Rechnen lernen hinausgehen. Würden Sie sagen, dass die Schüler an den Gymnasien gut auf ein Mathematik-Studium vorbereitet werden, oder würden Sie Lehrplan-Änderungen begrüßen? Ich habe tatsächlich viele Kollegen, die denken, der Lehrplan sollte geändert werden. Aber ich selbst bin der Meinung, es kommt mehr darauf an wie der Stoff vermittelt wird. Die Schüler sollten lernen, wie man richtig denkt und Zusammenhänge herstellt. Es darf nicht nur darum gehen Wissen zu vermitteln, sondern die Art und Weise des Denkens. In der Mathematik ist durchaus Kreativität gefragt.

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