Neustadt Ernte mit Fingerspitzengefühl

Nur die Besten kommen durch: Dafür sorgt die Spargelsortiermaschine. Die computergesteuerte Anlage misst die bleichen Stangen und ordnet sie in verschiedene Kategorien ein. Diese reichen von der „ersten Sorte“ – Handelsklasse I weiß, 16 bis 26 Millimeter Durchmesser – bis hin zum Suppenspargel. Auf dem Bildschirm an der Seite ist zu sehen, wie viele Stangen der verschiedenen Güteklassen heute schon gezählt worden sind. Der Ausschuss, der unter Rost (braune Verfärbungen) und Fäule leidet, landet an der Seite in einem extra Korb. In der Anlage wird der seit 6 Uhr morgens frisch gestochene Spargel gleich gewaschen und landet am Ende in mit Wasser gefüllten Boxen. Die Sortieranlage erkennt sogar, wenn eine Spargelspitze Licht abbekommen und sich deshalb oben leicht violett verfärbt hat – ein kleiner Qualitätsmangel. Die rumänischen Erntehelferinnen kontrollieren das Ganze noch einmal nach und packen die Stangen ordentlich in Plastikkisten. Mit romantischem Landleben habe all das wenig zu tun, sagt Christian Deyerling: „Bauer sucht Frau ist hier Lichtjahre entfernt.“ In der Halle des Landwirts, die ganz am Ende der Langgasse im Feld steht, triumphiert die Technik. Neben der Sortieranlage, die laut Deyerling je nach Ausführung 50.000 bis 100.000 Euro kostet, gibt es auch eine Verpackungsanlage, welche die Ware für den Discounter Netto automatisch in Plastikfolie verschweißt. Netto gehört neben Edeka zu den Supermarktkunden Deyerlings, der seine Spargel über den Pfalzmarkt in Mutterstadt vermarktet. Auch das Drucken des selbstklebenden Etiketts übernimmt die Maschine: „Spargel“ steht darauf. „Sorte: weiß, Klasse I, Kaliber: 16 bis 26, Ursprung Deutschland“. Außerdem die Abpacker- und die Betriebsnummer von Christian Deyerlings Hof. 500 Gramm sind in einem solchen Folienpäckchen drin. Die Helferinnen wiegen die Spargelbündel von Hand und packen sie mit einem Gummi zusammen. Doch so weit, dass eine Handvoll Spargel am Ende exakt ein Pfund wiegt, hat sich die Natur dann eben doch noch nicht den Bedürfnissen des Großhandels angepasst. „Es müssen mindestens 500 Gramm drin sein“, erklärt Deyerling, meist sei das etwa eine halbe Stange mehr, die bei der Abrechnung unter den Tisch falle. „Das geht auf unsere Kosten“, sagt er. Mit seinen zwölf Hektar Spargelfeldern bewege er sich größenmäßig im Mittelfeld der Spargelanbauer, so Deyerling. Etwa 30 Prozent des Jahresumsatzes stammten aus dem Spargelanbau des Gemüsebetriebs, der auch Kohlrabi, Erbsen, Frühkartoffeln und Zucchini anbaut. Letztere seien sein Hauptgeschäft, sagt Deyerling. Seine Spargel werden seinen Worten zufolge hauptsächlich über den Pfalzmarkt verkauft, kleine Mengen auch auf dem Haßlocher Wochenmarkt und im Hofladen in der Langgasse 173. Dank des milden Winters habe die Spargelsaison in diesem Jahr früh angefangen, erzählt Deyerling. Bereits am 20. März begann bei ihm die Ernte. Doch das sei in diesem Jahr kein Wettbewerbsvorteil gewesen, denn auch die anderen deutschen Anbaugebiete seien früh dran gewesen, teilweise sogar noch früher. Überhaupt, der Spargelanbau sei stark vom Wetter abhängig: Momentan sei es zu kühl, so Deyerling. Das drücke die Erntemenge nach unten. Rund 45 Tonnen seien in dieser Saison bisher geerntet worden. 2013 beispielsweise hätten die Dämme durch hohe Regenmengen im Wasser gestanden und die Stangen seien verfault. Bei niedrigen Erntemengen rentiere sich der Aufwand kaum, seufzt Deyerling, der derzeit 35 Erntehelfer beschäftigt. Aber einfach aufhören könne er dann auch nicht, denn die Supermarktketten und die Lieferverträge säßen ihm im Nacken. „Kurz vor dem Herzinfarkt“ sei er deshalb gewesen, als am vergangenen Samstag die Verpackungsanlage streikte. Aufgrund der wachsenden Technisierung im Spargelsektor ist für den Landwirt klar, dass kleinere Betriebe künftig immer weniger Chancen haben werden, auf dem Markt zu bestehen. Draußen auf dem Feld, wo die rumänischen Erntehelfer mit Stecheisen und Kelle im strömenden Regen arbeiten, wird aber auch klar: Die Spargelernte bedeutet auf der anderen Seite auch immer noch viel Handarbeit: „Jede einzelne Stange geht dreimal durch menschliche Hände“, sagt Deyerling: beim Stechen, beim Sortieren und beim Verpacken. Derzeit koste ein Kilo Spargel der ersten Sorte acht Euro, nennt Deyerling Zahlen. Doch die meisten Verbraucher hätten nicht die geringste Vorstellung davon, wie viel Arbeit und Aufwand vom Setzling bis zur reifen Stange hinter dem Edelgemüse auf dem Teller steckt.

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