Neustadt „Elf Freunde? Das ist zu wenig“

Neustadt. Die Fußball-WM hat begonnen. Und spätestens ab heute, Montag, 18 Uhr, wenn Deutschland gegen Portugal sein erstes WM-Spiel in Brasilien bestreitet, geht es wieder los: das Philosophieren, das Ausplaudern von Weisheiten, das Diskutieren von Taktiken. Plötzlich redet wieder jeder mit, auf einmal gibt es wieder Tausende von Bundestrainern. Ein paar uralte Fußballweisheiten aus Sepp Herbergers Zeiten sind nach wie vor von Bedeutung. Dies zumindest zeigt eine kleine, nicht repräsentative Umfrage unter Fußball-Kennern der Region.

„Elf Freunde müsst ihr sein“ hat einst Bundestrainer Sepp Herberger (1897 - 1977) festgestellt. Er hat 1954 mit der Nationalmannschaft den ersten WM-Titel für Deutschland gewonnen. „Man schafft es nur, wenn alle an einem Strang ziehen“, übersetzt Markus Schuler, bisher Trainer des 1. FC 08 Haßloch, mit dem er in die Bezirksliga aufgestiegen ist. Auch Rudi Brendel, Übungsleiter beim SV Geinsheim, interpretiert die Herberger-Worte so. Doch er weist auf ein Problem hin: „Elf Freunde? Das ist zu wenig. Im Kader sind 16, 18, 20 Leute. Was soll ich mit elf Freunden, wenn einer ausfällt? Wir sind ein Team mit Spielern, Ersatzspielern, Betreuern und Trainern. Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen.“ Als Trainer müsse man sich ohnehin mehr um die kümmern, die nicht spielten, weiß Markus Schuler, denn „die, die spielen sind ohnehin gut drauf“. Diejenigen, die auf der Bank säßen, sähen das nicht ganz so positiv. Schuler verrät das große Geheimnis um den Fußball: „Man hat so viele verschiedene Charaktere in der Kabine. Die alle in eine Richtung zu führen, das ist das Faszinierende.“ Tobias Fußer, Abteilungsleiter des TuS Niederkirchen, berichtet ebenfalls, dass „es nicht immer elf Freunde auf dem Platz sind“. Aber um Erfolg zu haben, müsse man zusammenhalten. Auch in den unteren Klassen handele es sich nicht immer um elf Freunde, erzählt Ralf Schwindinger, Spielleiter beim FC Wacker Weidenthal, und beschreibt ein immer wieder auftauchendes Phänomen: „In der Winterpause geht der Trainer, und mehrere Spieler gehen mit.“ Laut Sepp Herberger ist der schnellste Spieler der Ball. „In der AH vielleicht“, meint Fußer lachend, stimmt aber gleich der uralten Weisheit zu: „Es zeigt, man soll den Ball laufen lassen, denn dann kann man das Spiel schnell machen.“ Markus Schuler sieht das auch so, obwohl er zugibt, diesen Spruch „nicht so zu kennen“. Schuler: „Wenn der Ball läuft, kann man etwas bewirken. Man muss überraschend schnell sein, dann kann man viele Abwehrreihen überlisten.“ Und Ralf Schwindinger bedeutet, dass man so schnell gar nicht rennen kann, wie ein Ball ist, wenn er weitergespielt wird: „Man soll nicht so viel dribbeln.“ Fußball ist deshalb so spannend, weil niemand weiß, wie das Spiel ausgeht – auch diese Worte stammen aus Herbergers Mund. „Ja, Fußball ist immer spannend. Es gibt Geschichten, die nur der Fußball schreibt“, weiß Schwindinger und ergänzt betrübt: „Leider hat er dieses Jahr in Weidenthal eine negative Geschichte geschrieben.“ Wacker, das seit 1989 höherklassig gespielt hat, ist nämlich in die C-Klasse abgestiegen. Das Geheimnis sei, betont Markus Schuler, dass es immer wieder auch Fehler von Schieds- und Linienrichtern gebe, die man nicht einkalkulieren könne. Irgendwie sei noch immer faszinierend, dass bei der WM 1986 in Mexiko niemand das Handtor von Maradonna während des Viertelfinales zwischen Argentinien und England bemerkt habe. Wir erinnern uns: England verlor mit 1:2 und schied aus dem Turnier aus. Und bei der aktuellen WM war der letztendlich spielentscheidende Elfmeter für Brasilien im Eröffnungsspiel gegen Kroatien mehr als fragwürdig. Schuler: „Es würden nicht Tausende von Zuschauern in die Stadien gehen, wenn Fußball langweilig wäre.“ Auch für schlechte Zeiten gibt es natürlich einen passenden Spruch. Etwa „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“ von der „Kobra“ Jürgen Wegmann. Oder „Hast Du Scheiße am Fuß, hast Du Scheiße am Fuß“ von Ex-Nationalspieler Andreas Brehme. „Wenn’s mal nicht läuft, dann läuft’s nicht“, muss auch Rudi Brendel zugeben. „Es gibt solche Tage.“ Aber man müsse immer wieder bis zur letzten Sekunden kämpfen. Und die Geinsheimer sind in der jüngsten Saison für diese Einstellung belohnt worden, haben sie doch den Abstieg aus der Landesliga verhindert. So hatte Torwart Sebastian Schindler in der siebten Minute der Nachspielzeit in der Partie in Bingen zum 2:2 getroffen und den Geinsheimern im vorletzten Saisonspiel einen wichtigen Punkt im Abstiegskampf beschert. Ende gut, alles gut, könnte man also meinen. Doch diese Redewendung gefällt Markus Schuler nicht so sehr. „Es ist meistens nicht immer so“, weiß er. Wenn das mal kein schlechtes Omen für die Deutschen ist ... Aber, um wieder auf Herbergers Weisheiten zurückzukommen, stellt Ralf Schwindinger bedeutend fest: „Das nächste Spiel ist immer das nächste.“ (sab/Karikatur: Herrmann)

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