Neustadt Eine Meisterin zeigt, was sie kann

«Neustadt». Natürlich darf auch die Orgel nicht fehlen bei den Abendkonzerten des Alte-Musik-Festivals „Neustadter Herbst“, erst recht nicht, da man solch ein wunderbares neues Juwel wie die Edskes-Orgel in der Stiftskirche stehen hat. Mit Els Biesemans hatte Bezirkskantor Simon Reichert eine führende Interpretin und Spezialistin für die Musik des Barock eingeladen. „Bach und der Norden“ war das Programm überschrieben, das die belgische Organistin am Donnerstag vorstellte, und sehr zu Recht wurde ihr fesselndes Spiel am Ende mit langem, stehendem Applaus belohnt.

Äußerst vielseitig ist die junge Musikerin überdies, neben dem Orgelspiel ist sie in der Fachwelt auch eine vielbeachtete Cembalistin und Pianistin – und eine gefragte Dozentin, auch wenn der geplante Orgelkurs mit ihr beim „Neustadter Herbst“ wegen mangelnder Nachfrage nicht zustande kam. Ihre hohe Kompetenz in Sachen Barock zeigte sie nun an der Edskes-Orgel und hatte dafür ein ideales Instrument. Schon bei Bachs Präludium und Fuge G-Dur ließ die Interpretin den norddeutschen Stil mit seinen toccatenhaften Elementen und Pedalsoli schönstes Leben gewinnen: erst recht auch durch ihre wunderbar elastische Phrasengestaltung. Das Spiel mit kleinen Verzögerungen und Beschleunigungen brachte nicht nur sehr viel Leben in die Musik, sondern auch beredte Kraft. Genauso bei Bachs 3. Triosonate d-Moll. Eine sehr feine und zugleich vitale Artikulation führte die Belgierin hier zu großer Kunstfertigkeit – und dies in einem Spiel, bei dem kaum eine Phrase der nächsten gleicht. Immer wieder ließ sie die Musik neue, überraschende Gestalt gewinnen und formulierte hochmusikalisch. Unabhängig voneinander gestaltete sie die dreistimmigen Verläufe in den beiden Manualen und dem Pedal, so als wenn drei Instrumente zusammen musizieren würden, jedes gewann eigenes Leben. In kräftige Register gekleidet, ließ sie das finale „Vivace“ erregenden Schwung erlangen: im tänzerisch prägnanten Bass ebenso wie in den quirlig darüber tanzenden Oberstimmen – ein mitreißend hedonistisches Fest der Musik! Ein heiter gestimmtes Freudenfest inszenierte die Organistin auch in Gustav Dübens „Nun lob, mein Seel, den Herre“, brachte mit Manualwechseln, Echowirkungen und verzierungsfreudiger Gestaltung den dem Stück zugrundeliegenden Jubel der Seele zu schönstem Ausdruck. Die Schönheit der Soloregister kam auch in den weiteren Werken zu bester Wirkung, etwa in Franz Tunders Choralfantasia „Komm, heiliger Geist, Herre Gott“. Dabei ließ die Interpretin ihre Phrasen schönstes Leben gewinnen, als sie kräftige Klänge im Echo in lyrischer Innigkeit antworten ließ. Mit kraftvollen Zungenregistern begann sie Georg Böhms Präludium, Fuge und Postludium g-Moll, stimmte einen rustikalen Tanz an, öffnete das Spiel zu großem Klangzauber, der zwischen seraphischer Lyrik und exquisiten Pleno-Kombinationen wechselte. Ein großangelegtes Werk war Samuel Scheidts Toccata „In te Domine speravi“. Herbe, strenge Harmonien prägten dieses frühbarocke Werk neben spielfreudiger Ornamentik. Ruhevoll und lyrisch verinnerlicht folgte Buxtehudes Passacaglia d-Moll, in der die Organistin die Farben und Figuren zu großer Schönheit brachte. Auch drei Choralbearbeitungen aus Bachs „Großer Orgelmesse“ ließ Biesemans in großer Kunstfertigkeit erklingen: fein und federleicht beschwingt das Trio „Allein Gott in der Höh“, gefolgt von „Aus tiefer Not“, das kräftig expressiv, halb Klage und halb Gebet als mächtig erhebendes Glaubensbekenntnis ertönte, wie eine feste Burg, in Spannkraft und Zuversicht gebaut. Ein ruhig aufgebautes Klangkaleidoskop formte sie aus „Dies sind die heil’gen zehn Gebot“, in unterschiedlichen Farben schillernd die einzelnen Linien. So gewann die Organistin jedem Werk neue, unkonventionelle Einsichten ab. So auch Bachs abschließend musiziertem Präludium und Fuge D-Dur BWV 532. In kräftig beschwingtem Rhythmus beginnend, inszenierte Els Biesemans hier in der Fuge ein Feuerwerk an sprühender, mitreißender Musizierlust. Große Begeisterung.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x