Neustadt Ein bitterböses Kammerspiel
Neustadt-Mussbach. Die letzte Premiere von „Min Ko“ fand 2014 statt, und lange sah es so aus, als sterbe das traditionsreiche Neustadter Amateurtheater an personeller Auszehrung. Doch davon ist inzwischen keine Rede mehr. Nach einem breit gestreuten Mitspieler-Aufruf 2016 steht die Gruppe jetzt kurz vor der Premiere eines neuen Stücks, das zudem auch noch eine echte Eigenproduktion darstellt: „Verdammt lang her“ wurde gemeinsam von Kerstin Bachtler, die auch eine der Hauptrollen spielt, und Regisseur Bernhard Weller, dem „Friedel Spitz“ des Comedy-Duos „Spitz und Stumpf“, entwickelt. Der Vorhang hebt sich erstmals nächsten Donnerstag in der Herrenhof-Parkvilla.
„Ein böses Kammerspiel“ lautet der Untertitel des Stücks, das in der Anlage ein bisschen an die bitterbösen Komödien Yasmina Rezas erinnert. Dabei beginnt alles ganz harmlos: Ein Ehepaar, Thomas (Rudi Pachl) und Madeleine (Kerstin Bachtler), feiert Silberhochzeit im Kreis seiner engsten Freunde. Die meisten kennen sich seit Jahrzehnten: Da gibt es das Buchhändlerpaar Heiner (Martin Grau) und Natascha (Heike Saßmann), sehr öko-bewegt und leicht esoterisch, die „beste Freundin“ Eva (Erika Brauner), die gerade mal wieder Single ist, den Schriftsteller Lothar (Steffen Bohrmann) und den Wirtschaftsanwalt Frank (Bodo Redner), der seine neue Freundin Sibylle (Gisela Hemmerling) mitbringt. Wie sich nun herausstellt, haben sich Thomas und Sibylle vor 30 Jahren, also lange vor der Ehe mit Madeleine, mal gekannt: Während eines Campingurlaubs in Südfrankreich hatten sie zusammen eine Nacht am Meer verbracht. Sex war nicht, nur Seelenergüsse, und danach haben sie sich noch eine Weile geschrieben, bis der Kontakt einschlief. Eigentlich eine ganz harmlose Geschichte also, wäre da nicht Lothar, der Schriftsteller. Gerade ist sein letztes Buch erschienen, das er stolz als Geschenk übergibt, und nun sucht er nach neuer Inspiration. Die alte Geschichte kommt ihm da gerade recht, doch wäre da vielleicht nicht noch ein wenig mehr Drama herauszuholen? Richtig unterhaltsam wird’s doch erst, wenn es kracht – zumindest in den Büchern. So versucht er sich als intriganter Strippenzieher, dreht hier an einem Rädchen, sät dort Zweifel und reibt sich quasi im Dienste seines neuen Buches die Hände, wenn die Gefühle hochkochen. Seine zynische Spielwut trifft dabei auf die unterdrückten Spannungen, die den meisten langjährigen Freundschafts- und Liebesbeziehungen nicht fremd sind. Madeleine zum Beispiel ist angefressen, weil sich Thomas an diese eine Nacht, in der angeblich „nichts passiert“ ist, offenbar nachdrücklicher erinnert als an alle Nächte mit ihr, Thomas versucht zunächst so zu tun, als ob er Sibylle gar nicht kenne, was es nur schlimmer macht. Die spitzzüngige, frustrierte Eva trifft mit großer Zielsicherheit jeden empfindlichen Punkt, bis es weh tut, und Öko-Natascha nervt entschieden. So bröckelt langsam die Fassade. Nahezu jeder Dialog, vordergründig freundlich-entspannt, hat einen Subtext, der das genaue Gegenteil aussagt, Gereiztheit, Missgunst, Eifersucht offenbart. Lothar versucht sich als Spinne im selbstgesponnenen Netz, aber seine Charaktere entgleiten nach und nach seiner Führung. So einfach ist es eben doch nicht, aus dem Leben eine gute Geschichte zu machen. Und dann gibt es auch noch einige Überraschungen. Kerstin Bachtler trug die Idee zu dem Stück bereits seit längerem mit sich herum. Ein paar kammerspielartige Filme, manche mit deutlich französischem Einschlag, seien Inspirationsquellen gewesen, berichtet die SWR-Moderatorin. In der Probenarbeit entwickelte sich die erste Fassung dann weiter, Bernhard Weller gab das Seine dazu, aber auch die Schauspieler brachten Ideen ein. Schließlich stecken die Figuren in ihrer Haut, da „weiß“ man manches einfach. Auch beim Probenbesuch hieß es so manchmal: „Mach das noch mal, das war besser als das, was wir uns ursprünglich vorgestellt hatten.“ Insgesamt ist der Truppe anzumerken, wie viel Spaß es ihr bereitet, endlich einmal wieder eine personalintensivere Produktion unter den Händen zu haben. Möglich machte dies der auch über diese Zeitung verbreitete Aufruf, bei dem sich acht neue Mitstreiter meldeten, von denen mit Kerstin Bachtler, Martin Grau und Steffen Bohrmann auch gleich drei in dem neuen Stück eingesetzt sind. Die anderen fünf Darsteller sind schon länger dabei. Etliche Neue arbeiten dieses Mal aber auch hinter den Kulissen mit, in späteren Stücken soll man sie dann auch auf der Bühne sehen. Termine Das „Theater Min Ko“ feiert am Donnerstag, 9. März, um 20 Uhr mit dem Stück „Verdammt lang her!“ Premiere in der Parkvilla des Mußbacher Herrenhofs. Weitere Vorstellungen gibt es dort am Freitag, 10. März, Samstag, 11. März, sowie am 24. und 25. März und am 1. April, jeweils um 20 Uhr. Karten (12/10 Euro) in der Buchhandlung Quodlibet in Neustadt und unter www.theater-minko.de.