Neustadt „Ein bissel anstrengend muss es sein“

Neustadt. Die Frauen gehen vorwärts, dann rückwärts im Kreis. Genau im Takt zur Musik der Gruppe Juli, die von der perfekten Welle singt. „Als ich das erste Mal hier war, habe ich gedacht, dass hier nur alte Frauen sind“, verrät Selma lachend. Sie ist mit 44 Jahren die Jüngste in der Frauen-Fitness- und Wellnessgruppe des SV Schöntal, die Monika Ritter leitet. Selma: „Aber nach 15 Minuten habe ich mir dann gesagt, dass ich wohl eine alte Frau bin.“

Denn in Ritters Aufwärmprogramm geht es gleich zur Sache: Beine überkreuzen, dann die Arme kreisen, den rechten Ellenbogen ans linke Knie bringen, den linken Ellenbogen ans rechte Knie. Und dies immer im Takt der flotten Musik. „Das ist meine Lieblingsübung“, ruft Feride erfreut – die Beine werden abwechselnd zur Seite abgespreizt, die Arme dabei hochgenommen, während aus dem Lautsprecher „Save tonight“ von Eagle-Eye Cherry zu hören ist. Feride stammt aus der Türkei, lebt seit 28 Jahren in Deutschland, nachdem sie als politischer Flüchtling anerkannt worden war. „Ich habe Probleme mit der Wirbelsäule“, erzählt sie. „Aber bei Monika habe ich so viel gelernt, sie macht so schöne Sachen.“ „Es ist hier nicht nur Sport“, ergänzt Selma. Sie stammt ebenfalls aus der Türkei, lebt seit 1976 hier. „Es ist einfach sehr schön, wenn man in die Halle kommt und die lächelnden Gesichter sieht.“ Monika Ritter berichtet, dass man sofort anrufe, „wenn jemand aus der Gruppe zweimal nicht da war“. Ritter: „Das ist keine Kontrolle. Man macht sich dann einfach Sorgen.“ Doch unentschuldigtes Fehlen, das gibt es so gut wie gar nicht in der Schöntaler Frauengruppe. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal nicht kann“, gesteht Massi, die aus dem Iran stammt. Sie ist vor 28 Jahren ebenfalls als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen. Seit 2000 trainiert sie beim SV Schöntal. „Ich habe neun Kilo abgenommen, und vier sind wieder drauf“, verrät Massi seufzend. „Aber Du hast insgesamt nicht zugenommen“, tröstet Monika Ritter sie neckend. Jeder in der Runde ist willkommen. „Sogar mein Schwager aus Kanada hat mitgemacht, als er hier mal zu Besuch war“, erzählt Massi. Selma ist die einzige, die auch beim Sport ein Kopftuch trägt. „Wenn ich schwitze, dann nimmt es den Schweiß auf“, sagt sie. Das Tuch trage sie aber ausschließlich aus religiösen Gründen, allerdings erst seit 1993. Sie habe sich in der Religion gefunden, die Religion gebe ihr Ruhe. „Ich bewundere sie immer dafür, dass das Kopftuch beim Sport fest bleibt“, erzählt Monika Ritter. Bei ihr selbst würde das garantiert herumflattern. Inzwischen lässt die Übungsleiterin ihre Schützlinge die Balance beim Yogabaum finden: Alle stehen auf einem Bein, der Fuß des zweiten Beins wird an das stehende Bein möglichst weit oben aufgesetzt. Und die Handinnenflächen bringt man über dem Kopf zusammen. Dann wird ruhig geatmet. Trotz der Konzentration ist immer Zeit für einen Spaß. „Ihr wisst ja, wenn ihr das gut könnt, könnt ihr in Indien als Yogi auftreten“, spornt Ritter ihre Schützlinge an. Faride allerdings wackelt bei dieser Aufgabe heftig hin und her. „Bei Dir merkt man, dass das Baby angekommen ist“, ruft Ritter ihr scherzend zu. Faride ist nämlich ein paar Tage zuvor Oma geworden, was auch während der Übungen ein wichtiges Gesprächsthema in der Gruppe ist. Bald liegen alle auf einer Matte auf dem Boden, gehen in die Beckenbrücke, senken das Becken ab und heben es wieder an. „Eins, zwei, drei ...“, zählt Ritter mindestens bis acht. Die 65-jährige Rosi ist dabei, „um fit zu bleiben“. Die 63-jährige Ruth, der man die Anstrengung an ihrer roten Gesichtsfarbe anmerkt, betont, dass es „ein bissel anstrengend sein muss“. Sie sitze den ganzen Tag im Büro, da sei der Sport ein schöner Ausgleich. Jeder macht die Übungen mit, so gut er kann. Auf dem Rücken liegend strecken die Frauen nun die Beine zur Decke und sollen dabei mit den Händen die Fußknöchel greifen. „Ich habe lange Beine und kurze Arme“, jammert Faride, erntet dafür aber nur Gelächter. Anstrengend ist es aber für jeden. So richtig fies sei das Training vor allem, „wenn Monika so langsam zählt“, frotzelt Selma. Fies sei allerdings auch, wenn man merke, „dass es vor 20 Jahren noch besser ging“, gibt Anita zu. (sab)

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