Neustadt Die Weihnachtsgeschichte mal ganz anders

Neustadt. Wenn Martin Zingsheim versucht, auf das bevorstehende Weihnachtsfest einzustimmen, bleibt kaum ein Auge trocken. Mit spitzer Zunge hat er am Freitagabend in seinem Programm „Gottes Werk und Martins Beitrag“ in der „Reblaus“ in Neustadt Rituale aufs Korn genommen und das Publikum mit Stimmimitationen und seinen ganz eigenen Ansichten auf die Ereignisse des Jahres erheitert.

„Menschen, denen dieser Witz gefiel, gefiel auch ...“, Zingsheim rast zu Beginn regelrecht durch eine Zeit, die eigentlich besinnlich sein sollte, und passt sich damit dem Stress an, der ebenfalls mit Beginn der Adventszeit zunimmt. Doch der Kölner hat sich für das bevorstehende Fest gerüstet und extra ein „Volle-Tanne-Weihnachts-Blockseminar“ besucht, in dem „Überlebensstrategien in Zeiten des Dekoterrors“ vermittelt wurden. Dabei schreckt er auch nicht vor der guten alten Blockflöte zurück, die er natürlich dabeihat und damit bei einigen Anwesenden traumatische Erinnerungen weckt. Sein Steckenpferd ist allerdings das Klavier, auf dem er auch seinen Jahresrückblick, die Headlines von „Spiegel online“, musikalisch begleitet. In Bezug auf die Spionage-Affäre fordert er die „Aufdeckung aller Agenten in Deutschland, denn Geheimdienstoperationen müssten transparenter werden, und wer auf Facebook am meisten ,Gefällt mir’ hat, wird weiter observiert“. Auch einen Blick in die Zukunft bietet Zingsheim seinem Publikum, das sich auf folgende Schlagzeilen freuen könne: „Merkel schreibt Buch, Titel: Abserviert – Was ich alles in die Pfanne haute!“, „Netz-Revolution – Oettinger twittert – wahrscheinlich mit Füller!“, „Stiftung Warentest deckt auf: Jägermeister kein Ausbildungsberuf!“ oder „Ikea bietet Drohnen zur Selbstmontage an!“ Angesichts dieser frohen Botschaften, die Zingsheim wie Maschinenpistolenkugeln auf seine Zuhörer loslässt, kommen diese fast gar nicht mehr zum Verschnaufen, sondern stolpern von einem Lacher in den nächsten. Ebenso verhält es sich bei seiner literaturwissenschaftlich fundierten Analyse des Gedichts „Weihnachten“ von Joseph von Eichendorff, bei der einige Besucher in die Rezitation einsteigen und mit Textsicherheit glänzen. Mit spitzer Zunge nimmt Zingsheim als „Laientheologe und Teilzeitexorzist“ als Radiomoderator von „Kirche am Sonntag“ das Konsumverhalten der Menschheit unter die Lupe und glänzt kurz darauf als Countertenor, der zutiefst gelangweilt und mit absurden Verrenkungen das Weihnachtsoratorium von Bach interpretiert. Zum Schluss legt Zingsheim, der wunderbar mit Worten jonglieren kann, noch einen drauf und zeigt eindrucksvoll sein Talent als Stimmenimitator. Unter der Regie von Marcel Reich-Ranicki lässt er Herbert Grönemeyer, Herman van Veen, Bob Dylan, Klaus Kinski, Gerd Rubenbauer und Bushido die Weihnachtsgeschichte in Musicalform aufführen. Als Kinski krallt er sich an den tiefen Tasten seine Flügels fest, gibt dem Ganzen einen bedrohlichen Charakter – inklusive des irren Blicks des Schauspielers. Als Niederländer van Veen tröpfelt er hier und da ein „Plitsch-Platsch“ ein, und Rubenbauer steigert sich theatralisch ins Geschehen ein, lobt Jesus als „Typ für den Klassenerhalt geboren“, während Bushido, gleichsam auch Grönemeyer, unverständliches Zeug rappen oder nuscheln. Manch einer möchte sich dabei gedacht haben: Das mache ich zuhause an Heiligabend nach, denn dann ist Stimmung in der Bude.

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