Neustadt Die Schmetterlinge im Bauch und das Grimmen danach

Entschleunigte Beziehung: Studentin Jule (Mala Emde) nimmt im Roadmovie „303“ den Tramper Jan (Anton Spieker) mit nach Portugal,
Entschleunigte Beziehung: Studentin Jule (Mala Emde) nimmt im Roadmovie »303« den Tramper Jan (Anton Spieker) mit nach Portugal, und man kommt sich in langen, philosophischen Gesprächen näher.

«Neustadt». Ja, nein, vielleicht? In Liebesfilmen wird der „Vielleicht“-Phase der Paarbildung naturgemäß am meisten Zeit gewidmet. So auch im entspannten deutschen Roadmovie „303“, das am 10. September in der neuen Zweimonatsstaffel der Kunstfilmreihe „Arthouse“ im Neustadter Roxy-Kino zu sehen ist. Auch sonst dreht sich in der Reihe diesmal fast alles um die Schmetterlinge im Bauch – oder das Grimmen danach.

In „303“ ist die Protagonistin eine Studentin, die im alten Mercedes-Wohnmobil vom Typ 303 aus triftigen Gründen in Richtung Portugal fährt und einen Anhalter mitnimmt, der sie anfangs mehr nervt als anzieht. Nicht unerwartet löst sich das tagelange Reden und Streiten der Reisegefährten dann aber in Wohlgefallen auf. Genau umgekehrt läuft es in zwei neuen hochklassigen Verfilmungen der Romane des britischen Schriftstellers Ian McEwan, der seit Jahren zu den bevorzugten Stofflieferanten für Regisseure gehört. Im britischen Drama „Am Strand“ (zu sehen am 17. September) schreitet ein schwer verliebtes und frisch verheiratetes Paar zu seiner, besonders für die Braut (Shooting Star Saoirse Ronan), angstbesetzten Hochzeitsnacht. Denn zu Beginn der 60er Jahre rebellieren junge Leute zwar schon gegen den drohenden Atomkrieg, schaffen es aber nicht, ihre Probleme unterhalb der Gürtellinie zu verbalisieren. Und im Drama „Kindeswohl“ (am 22. Oktober im „Arthouse“) geht es zwar vorrangig darum, ob eine Familienrichterin (Emma Thompson) einen Teenager der Sekte „Zeugen Jehovas“ zu einer lebensrettenden Bluttransfusion zwingen darf. Hinter diesem ethischen Dilemma jedoch entfaltet sich ihr eigenes Ehedrama, als ihr frustrierter Mann höflich fragt, ob er sich eine Geliebte nehmen dürfe. Doch nicht nur bei älteren Paaren ist in Liebesdingen guter Rat teuer: Wenn Kinder und Kindeskinder flügge werden, nimmt das Gefühlskarussell erst recht an Fahrt auf. Dies beweist die italienische Erfolgskomödie „Zuhause ist es am schönsten“ (zu sehen am 24. September), in der ein alterndes Paar Kinder und Anverwandte zu einer Familienfeier einlädt, die auf einer Insel mit wetterabhängigem Fährverkehr stattfindet. Und wenn bei der unfreiwilligen Verlängerung des Aufenthalts auf italienisch-temperamentvolle Art das Sprichwort „Besuch ist wie Fisch – nach drei Tagen beginnt er zu stinken“ beglaubigt wird, zeigt sich, dass die Familienbande vielleicht doch überschätzt werden. Im israelischen Antikriegsdrama „Foxtrot“, mit dem an diesem Montag die neue Zweimonatsstaffel startet, wird dagegen mit dem Tod des Sohnes „im Einsatz“ eine Familie zerstört. Mit der Wucht einer griechischen Tragödie inszeniert, wird die Trauer der Eltern zur Metapher für den verfahrenen Nahostkonflikt. Familie ist manchmal ätzend, doch keine Familie ist schlimmer: Das muss ein kleines Mädchen im spanischen Drama „Fridas Sommer“ (8. Oktober) erfahren, das nach dem Tod seiner Mutter zur Vollwaise wird. Der Prozess der Eingewöhnung Fridas in die Familie ihrer Tante ist, auf Augenhöhe des Kindes erzählt, spürbar durch die autobiografische Erfahrung der Regisseurin Carla Simón geprägt. Das ebenso zurückhaltende wie bewegende Kindheitsdrama wurde mit höchsten spanischen und internationalen Filmpreisen ausgezeichnet. Oft aber werden im Film auch authentische Schicksale unter Missachtung historischer Fakten romantisiert und mit Botschaften überfrachtet: so auch in „Die Frau, die vorausgeht“ (1. Oktober), der Geschichte der in der Schweiz geborenen New Yorker Malerin Caroline Weldon. Sie setzte es sich im späten 19. Jahrhundert in den Kopf, den Häuptling Sitting Bull zu porträtieren und geriet im Wilden Westen zwischen die Fronten von Soldaten und Indianern. Am besten ist es eben, wenn Menschen selbst ihr Leben filmisch resümieren, so wie der berühmte Violinist Itzhak Perlman im Dokumentarfilm „Itzhak Perlman – Ein Leben für die Musik“ (zu sehen am 15. Oktober). Mit uneitlem Witz lässt er sein Leben Revue passieren: Kinderlähmung, Emigration und den alle Widerstände überwindenden Willen, Musik zu machen. Und zeigt dabei, ohne jedes künstliche Pathos, dass Kunst ein Lebenselixier ist. Termine Die Filme der Kunstfilmreihe „Arthouse“ laufen jeweils montags um 17.30 und 20 Uhr im Neustadter Roxy-Kino.

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