Neustadt Die Essenz von Jonny Cash
Neustadt-Hambach. Bastian Semm überzeugte in der Vergangenheit als Charakterdarsteller des renommierten Basler Theaters, etwa als Caesar in Christina Paulhofers „Antonius & Cleopatra“. Als „Peer Gynt“ gewann er den Rosenthaler Nachwuchspreis, ein dreijähriges Engagement am Theater Heidelberg (2009-2011) folgte.
Seine Vielseitigkeit demonstrierte er auch als kantiger Hauptkommissar Vogt in der ARD-Serie „Verbotene Liebe“ oder in einer Vielzahl von Film- und Fernsehproduktionen wie „Abenteuer Freiheit – Friedrich Schiller“ (HR, MDR 2004) oder im Kinofilm „Winnetous Sohn“(2014). In den letzten Jahren bescherte er der Urlauberinsel Rügen als beliebter Hauptdarsteller der „Störtebeker Festspiele“ einen weiteren Gästezustrom. Mit „Jonny Cash, a Singer of Songs“ verwirklichte Semm nun am Wochenende im ausverkauften „Theater in der der Kurve“ eine ganz persönliche Herzensangelegenheit: Vom US - amerikanischen Countrysänger Jonny Cash (1932 – 2003) fasziniert, begann sich Semm, ausgelöst durch dessen Tod, intensiv mit Musik und Leben des „Man in Black“ zu beschäftigen, so genannt, weil Jonny Cash, ob in seiner eigenen Fernsehshow (ABC 1969 –1971) oder als Sänger, meist in schwarzer Kleidung auftrat. Das Publikum in Hambach erlebte einen gekonnten Wechsel freien, lebendigen Vortrags aus Cashs „Autobiographie“ mit dessen Liedern, zu denen sich Semm selbst mit Gitarre und Mundharmonika begleitete. Nach einigen Momenten müssen sich die Gäste von der eher angenehmen Überraschung erholen, dass Semm die Cash-Stücke nicht einfach eins zu eins überträgt, sondern in Rhythmus, Melodie und Interpretation ganz eigenständig vorträgt. Dass er dabei dennoch den „Spirit“, die Seele, weltbekannter Erfolge wie „Walk the Line“ oder „Ring of Fire“ einfängt und vermittelt, beweist große Musikalität und ebenso großes Einfühlungsvermögen. Bereits durch die Liedtexte lässt sich vieles aus den höhen- und tiefenreichen Leben des Ausnahmesängers und Schauspielers Cashs erahnen, der sich stets für die Unterprivilegierten einsetzte. Semm lieferte dazu interessante Hintergründe und natürlich durfte auch nicht die Begegnung und lebenslange Liebe des gläubigen Baptisten zu seiner Kollegin June Carter fehlen, die er 1968 heiratete. Bastian Semm verlor nie den Respekt vor Cash, machte aber auch seine Fehler und Widersprüche greifbar: „Ich war kein Retter und Heiliger, nur ein Sänger von Liedern“ heißt dann ja auch das Motto des Abends. Tatsächlich gelang es Jonny Cash, der auf einer Tournee 1957 nach Benzedrin, anderen Amphetaminen und Alkohol süchtig geworden war, erst nach einer dramatischen Konfrontation mit Freunden und Familienmitgliedern sowie einer Nahtoderfahrung 1967 die Kraft aufzubringen, einen Entzug zu machen, der bis auf einen kurzzeitigen Rückfall Ende 1983 erfolgreich blieb. Schließlich berichtete Bastian Semm unterhaltsam von der Einladung von Cashs Sohn, John Carter Cash, in das Haus Hendersonville in der Nähe von Nashville, Tennessee, und von nächtlichen Sessions mit Cashs früheren Kollegen. In der dreifachen Zugabe folgten gefühlvoll vorgetragene eigene Stücke. Fazit: Bastian Semm ist ein mitreißender Erzähler und exzellenter Musiker. Der Eindruck zu seinem Gesang lässt sich mit dem auf den Punkt bringen, was man auch über Cash sagte: „Wenn er singt, spricht seine Seele unmittelbar zu dir.“ Bleibt nur zu hoffen, dass es dem Theater in der Kurve nächstes Jahr wieder gelingt, Bastian Semm zu einem Auftritt mit seiner im Frühjahr erwarteten ersten eigenen CD nach Neustadt zu holen.