Neustadt Der siebte Himmel gehört den Bayern
Hassloch. Jo mei, Petrus ist ein gemütlicher Bayer, und der Erzengel Michael ist ein Grantler. Was man schon immer übers Jenseits wissen wollte, wurde vom Haßlocher „Theater im Hof“ erschöpfend beantwortet. Armin Jungs insgesamt recht brave Inszenierung von „Der Brandner Kaspar und das ewig „Leben“ von Kurt Wilhelm feierte am Freitagabend im Hof des Ältesten Hauses Premiere.
Das beliebte Volksstück nach einer Erzählung aus dem 19. Jahrhundert stellt den listenreichen Zweikampf zwischen Brandner Kaspar und dem Boanlkramer, zu deutsch: Knochenhändler, in den Mittelpunkt. Wie der Brandner sich 18 zusätzliche Lebensjahre vom Sensenmann ergaunert, das ist in Haßloch auch das Duell des Theater-Routiniers Tommy Schmidt, der dem Titelhelden mühelos Humor und Tiefe verleiht, gegen den Newcomer Christopher Schulz, welcher die urbayerische Todesfigur eher in ein sanft-liebevolles Licht rückt. Die dämonischen Züge, die Michael „Bully“ Herbig in der Verfilmung von Joseph Vilsmaier der Figur einhauchte, fehlen bei Schulz völlig. Das ist aber durchaus reizvoll, und obwohl er öfter mal die Hilfe der Souffleuse braucht, erweist sich der Neuling als echte Entdeckung auf der Theaterbühne. Sein schwäbisch sprechender Boanlkramer schwankt herrlich zwischen der ängstlich-devoten Haltung des Untergegebenen, den er in den himmlischen Szenen zeigt, und der gegen den eigenen Willen unterkühlten Todesgestalt, die in Wahrheit nach Zuwendung und Freundschaft hungert und gern mal ein Schlückchen oder zwei oder drei Kirschwasser zum Aufwärmen trinkt. Um dieses zentrale Duell herum bilden auch die irdischen und himmlischen Szenen einen starken Kontrast. Abgesehen von dem wilden Durcheinander der Dialekte – Bayerisch, Pfälzisch und „Pfälzer Hochdeutsch“ – ist die Handlung, die auf der Erde spielt, sehr konventionell im Dirndl- und Lederhosenstil inszeniert. Marei (Eveline Kerbeck), die Enkelin von Häusler und Jagdhelfer Brandner, liebt den Tagelöhner Florian (Yannic Stein), was dem selbst in Marei verliebten herzoglichen Jäger Simmerl (Rafael Jung) gar nicht passt. Um die Pachtschuld beim Bürgermeister und Großgrundbesitzer Alois Senftl (Max Annen) begleichen zu können, beginnen der Brandner Kaspar und Florian ein einträgliches Geschäft mit der Wilderei, die durch die Einmischung des eifersüchtigen Simmerl am Ende die unschuldige Marei das Leben kostet. Da können auch Theres (Daniela Böhm) und die Gstanzelsänger (Max Oliv und Jan Rittinger), die bei einem bayerischen Fest zünftig mit Gitarren auftreten, nichts dran ändern. Ein paar mehr kreative Einfälle hat Regisseur Jung den Szenen im ganz in Gold gehaltenen Himmel gegönnt, wo vor allem der bayerisch-gemütliche Petrus (Max Oliv) und Rafael Jung als ewig schlecht gelaunter Erzengel Michael mit glänzendem Brustpanzer und „Flammenschwert“ humoristische Akzente setzen. Die Szenen, in denen sich der/die Heilige Nantovinus (Karin Rittinger), die Selige Johanna Turmair (Steffi Stoller) und der preußische Husarengeneral von Zieten (Jan Rittinger) langatmig über bayerische und preußische Lebensart streiten, nehmen jedoch allzu sehr das Tempo aus der Inszenierung. Da wäre der Rotstift des Regisseurs gefragt gewesen, um Schwächen des Stückes auszumerzen. Denn eigentlich ist es klar: Das, was den „Brandner Kaspar“ wirklich spannend macht, ist der zentrale Konflikt zwischen dem Titelhelden und dem Tod. Der Rest ist im Grunde fast überflüssiges Beiwerk. Dennoch: Ein netter Einfall war es, Daniela Böhm auf Erden als alte Theres und im Himmel als strahlend schöne junge Afra auftreten zu lassen. Denn, so erfährt der staunende Zuschauer: „Im Paradies nimmt jeder das Alter und das Geschlecht an, das ihm gefällt.“ Na dann. Das sind ja himmlische Aussichten. Und nach zweieinhalb Stunden komödiantischer und todernster Verwicklungen ist sowieso wieder alles eitel Sonnenschein, und der Brandner Kaspar wird durch göttlichen Gnadenerlass in den bayerischen „siebten Himmel“ aufgenommen. Ein Happy End also. Dem Premierenpublikum, das dem Ensemble mit kräftigem Applaus drei Vorhänge bescherte, hat’s sehr gefallen.