Neustadt Das Publikum wird zum Richter

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Kaiserslautern. „Terror“ heißt das erste Theaterstück von Ferdinand von Schirach, das derzeit zu den populärsten Stücken auf deutschen Bühnen gehört. Am Pfalztheater Kaiserslautern feiert es am morgigen Samstag seine Premiere. Schauspieldirektor Harald Demmer inszeniert selbst. Es ist ein interaktives Stück: Das Publikum übernimmt bei der Gerichtsverhandlung die Aufgaben der Schöffen und fällt das Urteil. Am 25. Oktober ist es im Saalbau in Neustadt zu sehen.

Darum geht es: Ein Bundeswehr-Kampfpilot hat ein von einem Terroristen gekapertes Flugzeug abgeschossen. 164 Menschen fanden den Tod. Der Entführer hatte zuvor gedroht, die Maschine in die mit 70.000 Zuschauern voll besetzte Allianz-Arena in München abstürzen zu lassen. Jetzt muss sich der Pilot wegen 164-fachen Mordes vor Gericht verantworten. Verhandelt wird auf der Bühne. Das volle Prozessprogramm: Die Staatsanwältin klagt an, der Angeklagte wird gehört, Zeugen werden vernommen, die Plädoyers gesprochen. Danach fällt das Urteil. Das Publikum stimmt als Schöffen ab – schuldig oder unschuldig. „Unsere Aufgabe ist es, die Komplexität der Argumente so zu liefern, dass die Leute zuhören wollen“, beschreibt Demmer die Herausforderung an Schauspieler und Inszenierung. „Im besten Fall ist es wie ein Krimi“, ergänzt er. Als Vorbereitung besuchte das Ensemble Gerichtsverhandlungen, traf sich mit Juristen und besuchte die Airbase in Ramstein, wo es mit Kampfpiloten sprach. Die Gerichtsverhandlung soll im amerikanischen Stil ablaufen. Anklägerin und Verteidiger werden nicht an ihren Plätzen stehen, sondern sich im Raum bewegen, das Publikum – als am Urteil Beteiligte – einbeziehen. Die Schirach-Vorlage hat Demmer gestrafft, es wird im Gerichtssaal Schlag auf Schlag gehen. „Alles ist ganz puristisch, es geht um die Kraft der Worte“, sagt er. Wenn die Plädoyers gehalten sind, ist Pause. Dann ist das Publikum gefordert. Die Zuschauer erhalten vor dem Stück Stimmkarten, die sie in der Pause in acht Urnen einwerfen können. Je vier Urnen für schuldig, je vier für unschuldig. Die Abendspielleitung wird die Stimmzettel auszählen, nur Richter Rainer Furch wird das Ergebnis kennen. „Die anderen auf der Bühne erfahren das Urteil erst, wenn es verkündet wird“, sagt Demmer. „Wir arbeiten hart daran, dass sie ihn verurteilen“, sagt Demmer, der das Stück Anfang des Jahres am Alten Schauspielhaus in Stuttgart inszeniert hat, eine Motivation. In Stuttgart gab es an allen Abenden Freisprüche. Der Kiepenheuer Bühnenverlag, der das Stück verlegt, führt Statistik über die Urteile aller bisherigen Aufführungen; die Freispruchquote liegt bei 60 Prozent. Uraufgeführt wurde „Terror“ am 3. Oktober 2015 zeitgleich am Schauspiel Frankfurt und am Deutschen Theater Berlin. Mit dem Urteilsspruch endet das Stück. „Danach ist der Redebedarf sehr stark“, weiß Demmer, „weil man sich auch nicht wirklich sicher ist, mit der Entscheidung.“ Deshalb bietet das Pfalztheater nach den Aufführungen eine Gesprächsrunde mit den Schauspielern, der Dramaturgin, dem Regisseur und einem Juristen an. „Das Nachgespräch wird sicher interessant, weil auch bei den Schauspielern das Bedürfnis da ist, darüber zu sprechen“, so der Regisseur. Termine Premiere: Morgen, Pfalztheater, Kaiserslautern. Aufführung am 25. Oktober, 20 Uhr, im Saalbau Neustadt; Karten gibt es an den bekannten Vorverkaufsstellen.

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