Neustadt „Das Portrait ist der Kern der Malerei“
«Edenkoben». Der in Bullay an der Mosel geborene, heute aber in Berlin lebende Schriftsteller und Maler Marcus Braun liest am Sonntag im Künstlerhaus in Edenkoben aus seinem neuen Roman „Der letzte Buddha“, der auf der wahren Geschichte des verschwundenen Panchen Lama beruht, und zeigt zugleich erstmals seine Bilder von Männern, Frauen und Affen. Gabriele Weingartner hat vorab mit dem 46-Jährigen gesprochen.
Das Malen war eigentlich von Anfang an da, also seit ich mit 16 oder 17 mit einem Freund zusammen begann zu schreiben und zu malen, damals begeisterten wir uns für den Surrealismus, und da gab es ja keine Trennung der Künste. Gemalt haben wir damals aber eher informell oder auch, wie wir uns eingebildet haben, in der Nachfolge von Cézanne und van Gogh, wie man eben malt, wenn man anfängt. Es folgte eine kleine Ausstellung in der Stadtbibliothek. Ich habe damals sogar ein Bild verkauft, es wurde auch abgeholt, ist aber nie bezahlt worden. Eigentlich ein guter Start. Mit 20 hat sich dann gezeigt, dass ich Romane schreiben muss, beides, das war mir schnell klar, geht nicht gleichzeitig ... dann folgten gut 25 Jahre ohne Malerei. Was ist so faszinierend am Portraitmalen? Und worin besteht der Unterschied zum schriftlichen Portrait eines Menschen, so, wie es sich immer wieder in Ihren Romanen zeigt? Ich bin ja niemand, der in seinen Romanen großartig das Aussehen der Figuren beschreibt. Sie entstehen mehr aus allem, was passiert im Kopf des Lesers. Bei der Malerei geht es um etwas anderes, um Konkretion, wie Sepp Herberger gesagt hat: „Das Runde muss ins Eckige“, also das Volumen muss in die Fläche. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist das Portrait so etwas wie der Kern der Malerei, die Erscheinung des Lebendigen, konzentriert in einem Gesicht, das die Welt anschaut, abgebildet von einem Geist, der das Gesicht schaut. Als Entspannung vom Schreiben würde ich Ihre Arbeiten nicht bezeichnen. Sie sind alle sehr ernst, nicht spielerisch oder gar leicht gemeint. Ihre Frauenportraits vor allem. Die jungen Frauen und Mädchen auf Ihren Bildern scheinen mir sehr sensibel, sehr verletzlich. Geben Frauen mehr preis als Männer? Und haben Sie als Maler den Anspruch, ihnen so nah wie möglich zu kommen? Nein, um Entspannung geht es mir in der Kunst, glaube ich, gar nicht. Eine ironische Malerei ist zwar vorstellbar, aber das würde ich mir nicht gerne anschauen. Die Frauen auf meinen Bildern scheinen vielleicht verletzlich, für mich sind sie aber in erster Linie stark, so stark, dass ich sie malen muss. Ich versuche ihnen so nah wie möglich zu kommen, aber nur um mir selbst und dem Betrachter ein Rätsel einzufangen. Und was ist mit den Männern? Männer interessieren mich nicht in dem Maße. Sie sind meistens etwas einfacher strukturiert, nicht was die Gesichtszüge angeht, da verhält es sich eher andersherum, sie wären also eigentlich leichter zu malen, nur: ohne Leidenschaft keine Malerei. Das Erstaunlichste an der Ausstellung im Künstlerhaus dürften Ihre Gorilla-Portraits sein, gemalt in einer diffizilen, aber ungemein lebendig anmutenden Schwarz-Weiß-Technik. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Hatten Sie genug von den Menschen? Nein, im Gegenteil, ich mache da keinen Unterschied. Die Existenz dieser Wesen ist zauberhaft, für mich sind das Menschen oder die Menschen Gorillas. Die Tiere sind überhaupt ein Schlüssel zum Menschenbild. Meine Tochter ist acht Monate alt, sie freut sich über nichts mehr als über den Blick der Katze, also, wenn die Katze sie anschaut. Auf diese Idee ist sie von selbst gekommen. Das Tier ist vielleicht das ursprüngliche Gegenüber, das haben wir nur vergessen. Die ersten Künstlerinnen und Künstler haben vermutlich Tiere gemalt. Was bedeutet das konkret für unser Kunstverständnis? Irgendwie wird einem in der Schule oder in unserer Kultur die Vorstellung vermittelt, Kunst sei etwas, das zum Leben dazukommt, nicht notwendig aber schön, etwas das die Griechen hervorbringen, nachdem die Sache mit der Staatsform geklärt ist. Jedoch, die Malerei ist viel älter als der Ackerbau oder der Krieg. Aber das klingt jetzt schon alles zu sehr nach Konzept, ich bin kein Freund von Konzeptkunst. Man braucht keine Konzepte, man muss nur hinschauen. Die Gorillas schauen garantiert zurück. Termin Marcus Braun liest am Sonntag, 22. April, um 11 Uhr im Künstlerhaus Edenkoben aus „Der letzte Buddha“ (Hanser Berlin, fester Einband, 208 Seiten, 20 Euro). Eintritt: 7/4 Euro. Parallel zur Lesung wird die erste Einzelausstellung mit Gemälden Brauns eröffnet.