Neustadt Briefe an die Lokalredaktion:

Auch wenn es subjektiv stimmt, darf nicht das „Früher war alles sauberer“ im Raum stehen. Die durch das empfindliche Material bedingten Flecken und Verunreinigungen in den sogenannten sanierten Bereichen sind ebenso ärgerlich wie die vielen Leerstände und Verwahrlosungen. Daran haben aber alle Anteil, denn: früher, also noch bis etwa 2006, gab es noch die Einzelhändler mit Wohnsitz in der Stadt, die sich in noch früherer Zeit beispielsweise auch um Blumenkübel kümmerten und freiwillig und mit großem Einsatz zur Anziehungskraft der Fußgängerzone beitrugen. Weil aber zu viele Menschen, Besucher wie Einheimische, den Angeboten der Einkaufszentren erlagen, mussten die meisten schließen und vielen Einzelhandelsketten Platz machen. Deren Angestellte wohnen größtenteils nicht in der Stadt und haben logischerweise weniger Augenmerk auf das Außen – sie füllen ihre Arbeitsplätze aus, mehr aber auch nicht. Die noch in der Stadt Wohnenden sind entweder altersbedingt nicht mehr in der Lage, sich aktiv um Sauberkeit und Verschönerung zu kümmern, oder ebenso altersbedingt dazu gezwungen, tagsüber berufsbedingt woanders zu sein und in ihrer Freizeit verständlicherweise nicht primär in Sachen Stadtverschönerung tätig. (...) Was die Unfallgefahr betrifft, war schon früher das Pflaster gefährlich. Es gab auch Selbstversuche der Stadtverwaltung, der Mitarbeiter per Rollstuhl durch die Innenstadt zogen und selbst Mängel erkannten und nannten – aber leider nicht behoben. Stattdessen wurde, wie anderswo auch, das für „attraktive Innenstädte“ geltende Uniformgesicht durchgesetzt, das baulich gut sein mag, aber für die Anwender eben nachteilig. (...) Zugeschaut wurde auch der Entwicklung von Jugendbanden und der daraus resultierenden Verwahrlosung. Dem Vandalismus wurde nie Einhalt geboten, es wurden nur Schäden beseitigt, Prävention blieb aus. Die Videoüberwachung wurde empört abgelehnt. (...) Alle konsumieren, was geboten wird. Wenn sich etwas ändern soll, müssen alle sich ändern. Im Denken und Handeln. Oder wegziehen. Eine neue Hiobsbotschaft als rückwärtsgewandte Entwicklung kommt auf Haßloch zu. Das gesamte Abwasser aus Böhl-Iggelheim soll zum Haßlocher Klärwerk hochgepumpt werden. So haben es sich die politisch einheitlichen Entscheider in beiden Kommunen ausgedacht. Werden die Rechner so rechnen, dass es vordergründig und scheinbar wirtschaftlicher sei, statt ein neues Klärwerk in Böhl-Iggelheim zu bauen? (...) Tag und Nacht Wasser den Hang hinauf zu pumpen, um es dann via Rehbach wieder hinunter zum Unterlieger laufen zu lassen, widerspricht einer nachhaltigen Zukunftsplanung. Die benötigte elektrische Energie beläuft sich auf 181.000 Kilowattstunden. Das entspricht 107.000 Kilogramm CO2-Ausstoß oder dem Strombedarf von 80 Zwei-Personenhaushalten. Die aktuelle Hiobsbotschaft lautet Rehbach-Verlegung und in Folge abtrennen des Fließgewässers von den Mühlen mit ihrem Sohlsprung zur Stromerzeugung, von der Pfalzmühle in Haßloch bis zur Waltermühle in Iggelheim. Die betreffenden fünf Mühlen am Rehbach könnten enorm mehr Strom für circa 120 Zwei-Personen-Haushalte, nachhaltig, zukunftsorientiert und schadstofffrei herstellen. Hinter beiden Denkweisen steht das vergangene Jahrhundert Pate. Ich bin mir da nicht so sicher, ob es in der Realität wirklich so ein „großer Sprung von ganz links zur FWG ist“, wie SPD-Vorsitzender Pascal Bender in Ihrem Interview meint. Ich erinnere, dass die FWG zur Kommunalwahl im Mai 2014 mit dem wohl nicht diskriminierend gemeinten Slogan: „Wir wollen keine Menschen mit dicker Brieftasche auf der Haardt“, versuchte, Wählermotive anzusprechen. Das wirkt bei mir noch nach. Welche Toleranz, welches Menschenbild steckt dahinter? Neue Spiel-(Ab)-Art von „Wilkommens-Kultur“? Liebe Stadträte, wir Neustädter haben im Mai gewählt und damit unsere Erwartungen an die Entwicklung unserer Stadt an Sie delegiert. Sie haben lange überlegt, verhandelt, gestritten, gepokert, die Fahnen gewechselt und jetzt verkündet, dass das zukünftige Geschick der Stadt mit Jamaika assoziiert wird. Ihren Koalitionsvertrag und Ihre Oppositionsstrategie entwerfen Sie in den kommenden Tagen mit Blick auf Ihre Parteiinteressen, auf Postenvergabe, auf die Hackordnung in Ihrer Partei, Koalition, Fraktion oder Opposition und die Möglichkeit bei der nächsten Wahl noch mehr Wähler zu gewinnen. Jetzt hätte ich doch fast Ihre Wahlaussagen und -Versprechen vergessen. Oder sehe ich das vielleicht falsch und Sie orientieren sich ausschließlich am Wohl der Stadt und aller ihrer Bürger, sie arbeiten konstruktiv zusammen, ob Jamaika-Koalition oder Weinbiet-Opposition, und Sie nehmen sich die seit Jahren diskutierten Probleme vor und arbeiten Sie zügig ab? (...) Meine Vorschläge: •B 39-Ideenmesse auswerten, Vorschläge mit uns diskutieren und entsprechend der Prioritäten auf den Weg bringen. Wie wäre es zum Beispiel, mit dem Winzinger Knoten sofort zu beginnen?•Radwegekonzept weiterbringen, Prioritäten entwickeln und mit der Umsetzung beginnen.•Neustadt für Unternehmen, Familien und Touristen noch attraktiver machen.•Und als Wichtigstes: Entscheidungen treffen und umsetzen, was unsere Stadt weiterbringt, statt verschieben, aussitzen und abwarten. Wie wäre es also mit einer ganz großen Kunigunden-Koalition? Sie wollen ja schließlich alle die Stadt retten, so wie seinerzeit Kunigunde. (...)

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