Neustadt „Auch viel über mich selbst gelernt“

Nathalie McCoy (hinten rechts) bei einem shintoistischen, also religiösen Nachbarschaftsfest. Neben traditionellen Gewändern geh
Nathalie McCoy (hinten rechts) bei einem shintoistischen, also religiösen Nachbarschaftsfest. Neben traditionellen Gewändern gehört ein Schrein dazu, der durch die Straßen getragen wird.

Abitur am Kurfürst-Ruprecht-Gymnasium 2012, danach ein Japanologie-Studium an der Goethe-Universität Frankfurt, bald der Bachelor-Abschluss. Doch bevor sie ins Berufsleben einsteigt, wollte Nathalie McCoy Japan richtig kennenlernen. Das hat geklappt: Sechs Monate lang – von September 2017 bis Februar 2018 – arbeitete die 25-jährige Neustadterin in Tokio.

Über das Ingelheimer Pharmaunternehmen Boehringer hat Nathalie McCoy den Sprung von der Pfalz in den ostasiatischen Inselstaat geschafft. Sie wollte ein Praktikum machen, ihre Berufschancen verbessern, japanische Luft schnuppern. Private Kontakte hätten dann den Stein ins Rollen gebracht, erzählt die junge Neustadterin mit deutsch-irischen Wurzeln, Enkelin des Geinsheimer Heimatforschers Norbert Kästel. Ein halbes Jahr arbeitete sie in der Boehringer-Dependance in Tokio. Die Stadt – ein 20-Millionen-Menschen-Moloch und so ganz anders, als McCoy Japan bei einem früheren Aufenthalt weiter im Süden erlebt hat. Als die Entscheidung gefallen war, ging alles ganz schnell. Wobei Boehringer half, in Tokio unterzukommen. Das Unternehmen hat einen Wohnblock für Mitarbeiter, kleine Appartements, komplett eingerichtet und nahe des bekannten Shibuya Crossing, einer zentralen Kreuzung, „wo 2000 Menschen auf einmal über die Straßen gehen, wenn die Ampel grün wird“, wie die 25-Jährige erzählt. Überhaupt die Menschenmassen: Daran musste sie sich erst mal gewöhnen. Und auch daran, dass die Stadt eher steril ist, wenig Grün, dafür umso mehr Neon-Leuchtreklamen. Bei Boehringer war Nathalie McCoy die einzige Frau aus dem Ausland. Zum internationalen Team gehörten noch ihre Chefs – ein Deutscher und ein Ire – sowie ein Franzose. Alle anderen Kollegen waren Einheimische. Gesprochen wurde meist Englisch. „Das“, erzählt McCoy, „ist die Firmensprache.“ Bei der Arbeit sei ihr das auch lieb gewesen, denn: Zwar sei die japanische Grammatik einfach, dafür aber gebe es drei Höflichkeitsformen, um der Hierarchie gerecht zu werden. Wer das nicht gut beherrsche, begebe sich auf dünnes Eis. Privat hingegen spiele das nicht die große Rolle, weshalb die Neustadterin das Japanischsprechen üben konnte. Bei Besuchen von Freunden weiter im Süden, aber auch in ihrem Viertel. Ansonsten hat sie andere Ausländer kennengelernt. Und auch Deutsche: „Es ist Wahnsinn, die sind wirklich überall.“ Als „Weißgesicht“ fiel sie trotzdem auf. So reserviert die Menschen in Tokio im Vergleich zu den Pfälzern seien – beim Betreten einer Bar sei sie stets angestarrt worden. Das habe auch zu vielen Gesprächen geführt, wobei die Tatsache, dass sie Japanisch könne, die Lage oft vereinfacht habe. Dass die japanische Kultur so ganz anders ist, hat Nathalie McCoy zwar gewusst, es am eigenen Leib zu erfahren, war aber noch mal etwas anderes. Beispiel Bahnfahren: „Im Zug soll man nicht reden und sich auch nicht umschauen, sondern am besten nur aufs Smartphone blicken.“ Dass Obst und Gemüse viel Geld kosten, daran musste sich die Neustadterin ebenso gewöhnen. Oder daran, dass Wohnungen in Tokio nicht isoliert sind und keine Heizung haben. Wärme war daher auch etwas, über das sie sich bei ihrer Rückkehr vor wenigen Tagen besonders gefreut hat. „Und über unser Brot.“ Wie es jetzt weitergeht? Zunächst die Bachelor-Arbeit, dann Jobsuche. Bei Boehringer in Tokio hat sie quasi Blut geleckt am Bereich Finanzen/Controlling. Das hat ihr wider Erwarten Spaß gemacht. Dauerhaft nach Japan zurückkehren würde sie aber nicht: „Ich bin europaweit offen“, meint die 25-Jährige, in einen anderen Kulturkreis würde sie aber nur zeitlich begrenzt wechseln. „Ich habe im letzten halben Jahr auch viel über mich selbst gelernt. Ich liebe eine kleine Stadt wie Neustadt – und die Weinfeste.“

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