Neustadt Am Rande der Bande:

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Vereinstreue ist ein Wort, das für kaum einen Fußballspieler noch gilt, weder im Profi- noch Amateurbereich. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen jemand bei den Bambini eines Vereins begann und bis zum Eintritt in eine Seniorenmannschaft nie zu einem anderen Club wechselte. Auch Trainer sitzen freiwillig oder gezwungenermaßen kaum noch längere Zeit auf der gleichen Bank. Eine Oase in der heutigen schnelllebigen Welt ist allerdings das Gelände des Landesligisten SV Geinsheim, wo vieles noch wie früher zu sein scheint. Es war die Saison 1988/1989, an deren Ende der kleine Verein aus dem Gäu den größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte erzielte: nämlich den Aufstieg von der Verbands- in die Oberliga Südwest, der damals dritthöchsten deutschen Spielklasse. Trainer des SVG war Manfred Conrad, der 18 Jahre in Geinsheim gewirkt, mit der Ersten Mannschaft drei Aufstiege gefeiert und dadurch schon selbst für Konstanz gestanden hat. Conrad war es auch, der einen Spieler verpflichtete, der ihn selbst in der Kategorie Vereinstreue noch übertreffen sollte. Dies war Rudi Brendel, der 1989 vom damaligen Bezirksligisten MSV Ludwigshafen nach Geinsheim kam und inzwischen bereits seit fast 28 Jahren ununterbrochen dort tätig ist: zunächst als Spieler, seit 2003 als Trainer. Inzwischen wurde der Vertrag zwischen dem SVG und Brendel um ein weiteres Jahr verlängert (wir berichteten am 24. Januar). Ein Nachfolger Brendels ist auch bereits in Sicht. Sein Cotrainer und Offensivspieler Pascal Nebel hat ebenso wie sein Sturmpartner Christoph Appel nie ein anderes Trikot als das der Geinsheimer getragen. Was ist bei dem Verein anders als beispielsweise beim langjährigen Rivalen VfL Neustadt, bei dem alleine in den vergangenen vier Jahren mit Jürgen Kuntz, Mike Hurny, Demir Hotic, Wolfgang Trapp und Florian Schwertl fünf Trainer in der Verantwortung waren? „In Geinsheim bilden alle eine Gemeinschaft, die einen in Ruhe arbeiten lässt“, fasst Brendel das SVG-Erfolgsrezept zusammen. „Hier wird auch aus finanziellen Gründen versucht, überwiegend mit jungen Spielern zum Erfolg zu kommen und dafür zu sorgen, dass sie sich so wohl fühlen, damit sie lange bei uns bleiben“, ergänzt er. Dies habe dazu geführt, dass er in seinem 14. Trainerjahr auf den Stamm des Vorjahres habe zurückgreifen können. „Es haben uns nie viele Spieler gleichzeitig verlassen, so dass ich nie gezwungen war, eine ganz neue Mannschaft aufzubauen“, stellt der SVG-Coach zufrieden fest. Dies sei auch der Grund für den großen Zusammenhalt im Team. „Anders wäre es auch nicht möglich gewesen, die Vorrunde dieser Saison trotz vieler Ausfälle erfolgreich zu gestalten.“ Beispielhaft sei dafür das am 4. Dezember angesetzte Auswärtsspiel bei Tabellenführer VfR Wormatia Worms II gewesen, als ihm lediglich Spielleiter Matthias Schanz und A-Junior Jonas Kästel als Ersatzspieler zu Verfügung gestanden hätten und man trotzdem ein 2:2 erreicht habe. Im deutschen Profifußball gab es auch Dinos auf der Trainerbank, doch wirkten diese überwiegend in einer Zeit, an die sich jüngere Fans schon gar nicht mehr erinnern können. Am längsten als Coach war bisher Volker Finke tätig, der von 1991 - 2007 den SC Freiburg trainiert hat. Dahinter folgen mit Otto Rehhagel (1981 - 1995) und Thomas Schaaf (1999 - 2013) zwei frühere Übungsleiter des SV Werder Bremen, dem ebenso wie Freiburg lange das Image anhaftete, dass dort die Welt noch in Ordnung ist. Die Plätze vier und fünf belegen Winfried Schäfer (1986 - 1998 beim Karlsruher SC) und Hennes Weisweiler (1964 - 1975 bei Borussia Mönchengladbach). Da Schaaf die Bremer im Gegensatz zu Finke und Rehhagel nur in der Ersten Liga betreut hat, ist er mit seinen 14 Jahren Rekordhalter der Bundesliga. Während Brendel sicherlich gute Chancen haben dürfte, Volker Finke noch zu überholen, dürfte es schwer werden, als Trainer am internationalen Rekordhalter vorbeizuziehen: Dies ist der Franzose Guy Roux, der von 1963 - 2000 und nochmals von 2001 - 2005 den langjährigen französischen Erstligisten AJ Auxerre trainiert hat. Auch dieser Verein, der mit Roux einmal französischer Meister (1996) und viermal Pokalsieger (1994, 1996, 2003, 2005) war, setzte darauf, Talente zu fördern. In unserer Region gibt es außer Manfred Conrad und Rudi Brendel nur einen Trainer, der zumindest in den vergangenen 50 Jahren fast so lange als Coach eines Teams oberhalb der B-Klasse tätig war, allerdings mit fünf Jahren Unterbrechung: Dies war Peter Schlegel, der von 1972 - 1979 und nach fünfjähriger Tätigkeit beim VfL Neustadt noch einmal von 1984 - 1990 den 1. FC 08 Haßloch trainiert hat. In der Pfalz hält den Rekord Ralf Gimmy, derzeitiger Trainer des Verbandsliga-Aufsteigers FC Speyer 09, der zuvor 23 Jahre den TuS Mechtersheim betreut hat (1989 - 2012). Bei einem Trainerkollegen aus unserer Region hält es Brendel übrigens für möglich, dass er in seine Fußstapfen tritt: Frank Lieberknecht steht beim Bezirksligisten VfB Haßloch unter Vertrag. Brendel: „Beim VfB verfolgt man ein ähnliches Konzept wie bei uns.“ Auch Lieberknecht verlängerte inzwischen seinen Vertrag und wird nach der Sommerpause am Eichelgarten in sein sechstes Trainerjahr gehen. Wie Brendel spielte auch er einmal beim SV Geinsheim und wurde in dieser Zeit von Manfred Conrad trainiert. Dessen Vorbildfunktion hinsichtlich Vereinstreue scheint immens gewesen zu sein ... |dil

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