Interview Alternativmedien: „Einflussreicher, als man denkt“

Manfred Linden
Manfred Linden

Wie will die Neue Rechte die deutsche Demokratiegeschichte umdeuten? Diese Frage beantwortet der Politologe Markus Linden Gast auch im Gespräch mit Anke Herbert.

Herr Linden, Sie verfolgen seit Jahren die Neue Rechte. Was ist der Unterschied zur bisherigen?
Die Neue Rechte verhält sich anders. Sie zeigt zum Beispiel nicht den Hitler-Gruß. Das heißt, sie ist nicht mehr offen rassistisch, sondern verkauft sich als intellektuell, als ethno-pluralistisch, um das vorgeblich brachliegende intellektuelle Feld in Deutschland zu bestellen. Was sie aber im Endeffekt macht, ist Gewaltenteilung zu verneinen und die Grenze des Sagbaren zu erweitern. Das langfristige Ziel dieser auch intellektuellen Bewegung ist es, die Macht im Staat zu übernehmen.

Sind Alternativmedien erst mit dieser neuen Rechten entstanden?
Nein, diese Bewegung hatte ihren ersten Höhepunkt bereits in der Ukraine-Krise 2013/14. Dazu gehören heute Medienportale wie „Rubikon“ oder „Schrang.TV“, für die einige der weiß gekleideten Menschen auf dem Demokratiefest ja auch Werbung machen. Wichtig zu wissen ist, dass Alternativmedien ein anderes Selbstverständnis haben als die sogenannten Mainstream-Medien. Sie verkaufen sich als alternativ, als diejenigen, die dem Mainstream etwas entgegensetzen, also völlig anders seien als beispielsweise ARD und ZDF oder die „Lügenpresse“.

Wie einflussreich sind denn solche Alternativmedien?
Einflussreicher, als man denkt, weil es Scharnierakteure gibt, die sowohl in diesen alternativen als auch in den Mainstream-Medien aufschlagen. Alternativmedien ist also eher ein Sammelbegriff. Und das ist der eigentliche Trick: Man reagiert auf eine wahrgenommene Alternativlosigkeit, die es meines Erachtens auch ziemlich lange in der Politik gab, indem man den Begriff „Alternativ“ besetzt. Das machen die Alternativmedien, das macht aber auch die sogenannte Alternative für Deutschland.

Warum finden solche Medien überhaupt Anklang?
Ihre Arbeitsweise wird von Menschen, die sich damit eher oberflächlich beschäftigen, sehr oft falsch eingeschätzt. Zwar gibt es auch Portale von definitiv durchgeknallten Leuten, wie Eva Herrman oder Xavier Naidou. Das muss man einfach so sagen. Es gibt aber auch Aktivisten, die aus der etablierten Medienlandschaft kommen, wie der Verschwörungsideologe Ken Jebsen. Er kopiert deren Formate in die Alternativmedien und agiert meist mit Halbwahrheiten. Und das ist sehr intelligent gemacht.

Sie sprechen oft davon, dass Alternativmedien Tatsachen in Meinungen auflösen. Haben Sie ein Beispiel?
Ich habe mir in Vorbereitung auf Neustadt auch die Rede von Wolfgang Kochanek Mitte Januar bei seiner Versammlung gegen die Corona-Politik angeschaut. Das scheint mir ein ziemlicher Scharfmacher zu sein. Ich bin wirklich erschrocken, als ich bei dieser Rede einen Vergleich gehört habe, der mir zuvor noch nie zu Ohren gekommen ist: Kochanek verglich die Bilder über die Corona-Toten von Bergamo mit der Inszenierung „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl, einem Nazi-Propagandafilm. Damit setzt er das Dritte Reich und die Schutzmaßnahmen gegen Corona gleich und verhöhnt die Opfer. Diese Art der Argumentation, die nicht blöd ist, arbeitet mit falschen Vergleichen und besteht zum Teil auch darin, dass man aus Tatsachen, wie der Gefährlichkeit von Corona, eine angeblich diskutable Meinung macht.

Was sind denn die Schwerpunktthemen der Alternativmedien?
Das Grundthema ist Medien- und Politikkritik. Das heißt, man geht von einer geschlossenen Elite aus, die einem geschlossenen Volk gegenüber steht und dieses betrügt. Folglich gehen sie davon aus, dass wir alle einer Meinung sind, was natürlich Unsinn ist. Schließlich werden wir nicht betrogen, denn wir haben ja eine gewaltenteilige Demokratie, auch wenn es natürlich Missstände gibt. Das zweite große Thema ist der Anti-Amerikanismus. Corona war dann noch mal so ein Punkt, wo man ebenfalls zusammenkommen konnte, nachdem die Flüchtlingskrise die Alternativmedien auseinander dividiert hatte. In der Pandemie konnte man das alles wieder abdecken. Das sehen Sie ja auch heute bei den Menschen, die hoch zum Schloss marschieren: Da gibt es Leute in Weiß, die sich mit John Lennon identifizieren, und der nächste hat ein T-Shirt an, auf dem „Bismarcks Erben“ steht.

Sind Veranstaltungen wie das Demokratiefest wichtig?
Ja, weil man immer wieder versuchen sollte, mit alternativmedialen Rezipienten, die noch empfänglich sind, in Kontakt zu kommen. Die Akteure selbst können Sie aber nicht abgreifen. Außerdem ist solch ein Fest eine Gelegenheit, den Sozialkundeunterricht nicht erst in der neunten Klasse anfangen zu lassen.

Zur Person

Markus Linden (49) war auf dem Fest Gast der Initiativgruppe „#1832Hambach2022“. Er ist Professor an der Universität Trier und schreibt häufiger Gastbeiträge für Tageszeitungen wie „taz“, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ oder „Neue Zürcher Zeitung“.

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