Über den Kirchturm hinaus Abschied und Neuanfang: Niemals geht man so ganz

Andreas Rummel
Andreas Rummel

Vor mehr als 30 Jahren sang Trude Herr mit Wolfgang Niedecken von BAP und Tommy Engel von den Bläck Fööss „Niemals geht man so ganz“. Der Auftritt ist für Menschen meines Alters legendär.

Die Sommerferien sind zu Ende. Für viele Kinder und Jugendliche hat in dieser Woche Neues begonnen: die ersten Tage im Kindergarten, der Einschulungsgottesdienst für die ABC-Schützen, der Wechsel an die weiterführende Schule oder die Oberstufe. Mit jedem Neuanfang ist ein Abschied verbunden. Die letzten Tage in der Kita, in der Grundschule oder im Klassenverband. Sie liegen sechs Wochen zurück. Was wird das Neue bringen? Das ist alles aufregend und spannend. Trauer, Ängste und Sorgen gehören auch dazu. Das ist doch klar. Und die sollen auch nicht versteckt werden.

Erfahrung, Begegnung und Freundschaft

Wir haben als Familie gerade vier Wochen Umzug hinter uns. Mit vielen Tränen beim Abschied in der alten Heimat. Aber auch mit vielen freundlichen und fröhlichen Gesichtern am neuen Wohnort. So kann ich mich ganz gut in die Kinder und Jugendlichen hineinversetzen, die sich jetzt auf Neues einlassen müssen.

Die rheinische Künstlerin Trude Herr dichtete: „Niemals geht man so ganz. Irgendwas von mir bleibt hier.“ So geht der Refrain weiter. Und ich glaube, da ist was Wahres dran. Wer lange irgendwo gelebt und gewirkt hat, der oder die hinterlässt Spuren. In den Herzen der Menschen, im Dorf, in der Kirchengemeinde. Wer lange irgendwo gelebt und gewirkt hat, der oder die nimmt aber auch etwas mit in die Zukunft – an Erfahrung, an Begegnung, an Freundschaft. Etwas von mir bleibt dort, und etwas von dort bleibt bei mir.

Erinnern, pflegen und bewahren

Die Bibel ist voll von Geschichten des Aufbruchs und des Neuanfangs. Gott weiß darum, wie schwer Menschen sich damit tun, die gewohnten Wege zu verlassen. Deshalb sagt er zu Jakob: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst“ (1. Mose 28,15). In diesem Sinne möchte ich Trude Herr weiterdichten: „Niemals geht man so ganz. Irgendwas von mir bleibt hier. Und Du, Gott, bleibst bei mir.“

Ich wünsche allen, die in diesen Tagen und Wochen Neuanfänge zu bewältigen haben, dass sie loslassen können. Dass sie sich aufs Neue einlassen können. Dass sie manches auch sein lassen oder zulassen können. Und dass sie manches Alte weiter gerne erinnern, pflegen und bewahren. Wie schön, wenn die Kontakte nicht abreißen und ich gelegentlich gerne zurückkehre: in meine alte Heimat, meinen ehemaligen Kindergarten oder die einstige Schule. Jetzt aber ist erst mal Neues dran. Dafür will ich mir Zeit nehmen. Für Begegnungen und neue Bekannte. Für Entdeckungen und neue Erfahrungen. Damit irgendwann auch hier etwas von mir bleibt, wenn ich gehe.

Der Autor

Andreas Rummel, Dekan des protestantischen Kirchenbezirks Neustadt

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