Neustadt A-Cappella-Musik zur Passion: Stiftskantorei singt an Karfreitag Werke aus vier Jahrhunderten

Die Neustadter Stiftskantorei singt unter Leitung von Simon Reichert diesmal bei ihrem traditionellen Karfreitagskonzert Werke v
Die Neustadter Stiftskantorei singt unter Leitung von Simon Reichert diesmal bei ihrem traditionellen Karfreitagskonzert Werke vom frühen 17. bis zum späten 20. Jahrhundert.

„Es ist vollbracht“ lautet in diesem Jahr der programmatische Titel des traditionellen Karfreitagskonzerts der Neustadter Stiftkantorei, bei dem Choräle aus der Johannespassion von Bach den Rahmen bilden für Passionskompositionen von Heinrich Schütz, Johann Hermann Schein, Anton Bruckner und dem 2019 verstorbenen Schweden Sven-David Sandström.

Bedeutendes Auftaktwerk aber ist die Motette „Fürwahr, ertrug unsere Krankheit“ von Hugo Distler, op. 12,9, 1941 uraufgeführt und eigentlich Teil einer nie vollendeten Johannespassion. Das stimmtechnisch hochanspruchsvolle, mit unzähligen chromatischen Wendungen aufwartende, zudem tiefemotionale Werk zählt zu den eindrucksvollsten A-cappella-Kompositionen des Genres. Dahinter leuchtet unwillkürlich auch der ganz persönliche Leidenswegs seines Schöpfers auf, der gerade für die evangelische Kirchenmusik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert prägend war, aber 1942 in Berlin durch Freitod aus dem Leben schied.

Seine Karriere hatte er schwierigster Bedingungen abgetrotzt – die Mutter emigrierte nach Amerika, als er vier Jahre alt war, er wuchs bei den Großeltern auf und war nach deren Tod mit 17 Jahren praktisch mittellos. Ab 1940 wirkte er als Organist am Berliner Dom. Obwohl anfangs noch unkritisch gegenüber der nationalsozialistischen Bewegung, sah er sich in künstlerisch zusehends Schikanen durch das Hitler-Regime ausgesetzt: Kirchenmusikalisches Arbeiten mit Chören wurde immer wieder torpediert, Werke durften nicht aufgeführt werden. Der sensible, oft kränkelnde Distler zog sich in die innere Emigration zurück, veröffentlichte ab Kriegsbeginn nur noch weltliche Werke, schrieb aber bis zu seinem Tod an einem großen „Friedensoratorium“. Als gegen Ende 1942 der sechste Einberufungsbefehl eintraf – fünfmal davor konnte er abgewehrt werden –, nahm sich der 34-Jährige am 1. November, unmittelbar nachdem er im Berliner Dom einen Gottesdienst gestaltet hatte, das Leben.

Durchaus ungewöhnlich, hat sich Bezirkskantor Simon Reichert fürs Karfreitagskonzert diesmal nicht für ein großes Oratorium, sondern ein reines A-Cappella-Programm entschieden. Bewusst wolle er nach der gerade für die Chorgemeinschaften schwierigen Pandemie-Zeit die Kantorei sozusagen „staatstragend“ in den Mittelpunkt stellen; einen deutlichen Akzent in Richtung gemeinsames Singen setzen. Und zur Einkehr und Stille der Passionszeit sei dies auch durchaus passend.

Gemeinsam und im Wechsel mit der Stiftskantorei musiziert der in Landau beheimatete Solist Stefan Viegelahn, Professor für Orgel an der Musikhochschule Frankfurt, an der Edskes-Orgel.

Termin

Das Karfreitagskonzert der Stiftskantorei, findet am 7. April, um 18 Uhr in der Neustadter Stiftskirche statt. Karten bei der Neustadter Bücherstube (06321 2235).

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x