Neustadt Über den Kirchturm hinaus: Klinikseelsorgerin über Lockdowns früher und heute

Klinikseelsorgerin Silke Kessler erinnert an die Bedeutung des Pfingfestes.
Klinikseelsorgerin Silke Kessler erinnert an die Bedeutung des Pfingfestes.

Mitten im Leben, vielleicht sogar auf der Überholspur. Angesetzt, um Neues zu verwirklichen – und dann von heute auf morgen Stop. Lockdown. Nichts geht mehr. Und was noch gehen kann oder soll, weiß niemand.

Das war für viele von uns die Situation Mitte März, als das Coronavirus unser aller Leben durcheinanderwirbelte. Fassungslosigkeit und Erstarren waren zu spüren. Und die bange Frage, was passieren wird. Wie wird es weitergehen?

Mancher träumt von Urlaub

Mittlerweile können wir davon erzählen, wie es für jeden von uns ganz persönlich weitergegangen ist. Allmählich werden Einschränkungen gelockert und mancher kann sogar von Urlaub träumen. Trotz allem: Das Erlebnis, ausgebremst worden zu sein, bleibt im Hinterkopf und lässt uns vorsichtiger in diese vor uns liegende Zeit starten.

Gerne würde jetzt der ein oder andere durchstarten oder einen Kavalierstart hinlegen, um die anderen, die sich zögerlich auf den Weg machen, hinter sich zu lassen.

Das, was wir momentan erleben, findet sich in der Bibel wieder. Und wir Christen feiern es als Pfingstfest. Die Freunde und Freundinnen Jesu erleben mit der Kreuzigung und Auferstehung quasi einen Lockdown und gleichzeitig eine gute Wendung. Trotzdem ist nichts mehr so wie vorher. Und auch Jesus ist für sie nicht mehr der Alte. Als er dann zu seinem Vater zurückkehrt, was wir mit Christi Himmelfahrt verbinden, fühlen sie sich ein zweites Mal ausgebremst und erleben einen Lockdown. Wie wir, als die Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen verhängt wurden.

Irgendwann wird der Zustand unerträglich

Als Folge und aus Angst sperren sich die Freunde und Freundinnen Jesu ein. Sie bleiben zusammen, aber wollen mit der Außenwelt keinen Kontakt mehr haben. Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll, obwohl ihnen Jesus versprochen hat, dass er ihnen seinen Geist als Beistand sendet. Die Gefühle dieser Menschen können wir mit unserem eigenen Erleben gut verstehen – und vielleicht auch die Ungeduld, die zunimmt, wenn man sich verschließt und einsperrt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, dass dieser Zustand unerträglich wird und sich etwas bewegen muss. Durchstarten, neu anfangen

In der Pfingstgeschichte erhebt sich plötzlich ein Tosen, die Menschen werden Feuer und Flamme für einen Neuanfang, die Kraft Gottes bewegt die Jünger zum Ausbruch aus ihrem Gefängnis. Nicht nur das: Sie können alle anderen in ihren unterschiedlichen Sprachen verstehen. Das Pfingstwunder wird zum Sprachwunder.

Auch wenn wir in den letzten Tagen eher das Gegenteil erleben, weil nun viele wieder für sich handeln möchten und nicht mehr gewillt sind, auf die anderen, die nicht so durchstarten können, zu warten. Ich hoffe, dass wir trotzdem nach den Erfahrungen des Lockdowns, der Balkonkonzerte und Nachbarschaftshilfen weiter lernen, dem Anderen zuzuhören und seine Sprache zu verstehen, damit der gute Geist unsere Zukunft gestaltet. Ich wünsche Ihnen und mir einen geistvollen Neustart in diesen Pfingsttagen.

Die Autorin

Silke Kessler, Seelsorgerin am Pfalzklinikum in Klingenmünster

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